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Bistum Chur

Hirtenbrief des polnischen Episkopats – „Hirtenbrief zum Sonntag der Heiligen Familie 2013“

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

Jedes Jahr feiern wir in der Weihnachtsoktav den Sonntag der Heiligen Familie. Unsere Gedanken richten sich auf unsere Familien, und wir wollen einige Überlegungen zur Lage der Familie in der jetzigen Zeit unternehmen. Das Evangelium dieses Tages erzählt, dass die Familie von Nazareth sich unter schwierigen und turbulenten Umständen bemühte, Gottes Willen zu verstehen und zu erfüllen, und das erlaubte ihr, erneuert daraus hervorzugehen.

Diese Haltung ist uns ein wichtiges Beispiel, welches uns auch heute zeigt, dass der Gehorsam gegenüber Gott und Seinem uns manchmal unbegreiflichen Willen die Garantie für das Glück innerhalb der Familie ist.

Der selige Johannes Paul II., dessen Heiligsprechung wir vorbereiten, erinnert daran, dass die Wahrheit über die Einrichtung der Ehe „den Willen des Einzelnen übersteigt, ebenso wie die spontanen Pläne der Paare, die Entscheidungen gesellschaftlicher Organisationen und Regierungen.“ (Samstag, 28. Februar 1980). Diese Wahrheit muss bei Gott gesucht werden, denn Gott selbst hat die Ehe begründet (Gaudium et Spes 48). Gott hat den Menschen als Mann und Frau erschaffen, also dazu, mit Leib und Geist ein Mann „für“ eine Frau und eine Frau „für“ einen Mann zu sein, und das istz ein großes und unersetzliches Geschenk Gottes, und auch eine Pflicht im ehelichen Leben. Er hat die Familie auf die lebenslange Ehe gegründet, vereint in unauflöslicher und ausschließlicher Liebe. Er hat entschieden, dass eine solche Familie die passende und angemessene Umgebung für die Entwicklung der Kinder ist, in der das Leben weitergegeben wird und die geistliche und materielle Entwicklung gesichert ist.

Diese christliche Sicht ist nicht etwa eine willkürlich auferlegte Norm, sondern sie ergibt sich aus dem Verständnis der menschlichen Natur, der Ehe und der Familie. Wenn sie verweigert wird, so führt das unvermeidlich zum Zusammenbruch der Familie und zum Scheitern der menschlichen Person. Wie die Geschichte der Menschheit zeigt, ist es immer gefährlich und bedroht das künftige Glück der Menschheit und der Welt, den Schöpfer zu ignorieren. Deshalb müssen die Versuche einer Neudefinition des Verständnisses von Ehe und Familie, wie sie augenblicklich insbesondere von den Parteigängern der Gender-Ideologie und gewissen Medien erzwungen werden, uns in höchstem Maße beunruhigen.

Wegen der sich verstärkenden Angriffe dieser Ideologie auf bestimmte Bereiche des familiären und gesellschaftlichen Lebens sehen wir uns gezwungen, einerseits ganz entschieden und unmißverständlich für die Verteidigung der christlichen Familie und der grundlegenden Werte, die sie schützen, einzutreten; und andererseits vor den Gefahren zu warnen, die sich aus der Propagierung dieser neuen Art des Familienlebens ergeben.

Die Gender-Ideologie ist das Ergebnis ideologischer und kultureller Veränderungen, die seit einigen Jahrzehnten tief im Marxismus und im Neomarxismus verwurzelt sind und von gewissen feministischen Bewegungen und von der sexuellen Revolution gefördert werden. Der „Genderismus“ steht für Prinzipien, welche der Wirklichkeit und der Integrität der menschlichen Natur völlig entgegenstehen. Das biologische Geschlecht soll keine soziale Bedeutung haben, und vor allem soll jeder Mensch sein biologisches Geschlecht völlig unabhängig von biologischen Zwängen frei formen und definieren können. Laut dieser Ideologie kann der Mensch je nach eigenem Belieben definieren, ob er Mann oder Frau ist, und er kann auch seine sexuelle Ausrichtung frei wählen. Diese freie „Selbstdefinition“ ist nicht notwendigerweise eine „Einweg-Entscheidung“ und soll notwendigerweise dazu führen, dass die Gesellschaft die Schaffung eines neuen Familientypus akzeptiert, der sich zum Beispiel zu Gemeinschaften homosexuellen Charakters gründet. Die Gefahr der Gender-Ideologie kommt aus ihrem für Einzelpersonen wie auch für menschliche Beziehungen und also für das ganze gesellschaftliche Leben zutiefst zerstörerischen Charakter. Ein Mensch mit ungewisser sexueller Identität ist nicht in der Lage, die Pflichten zu erkennen und erfüllen, die ihn im ehelichen, gesellschaftlichen und beruflichen Leben erwarten.

Der Versuch, verschiedene Arten der Gemeinschaft auf die gleiche Stufe zu stellen, ist de facto eine Schwächung der Ehe als Vereinigung von Mann und Frau, als auch der Familie, die auf der Ehe beruht.

Wir beobachten verschiedene Haltungen gegenüber den Aktionen der Verfechter der Gender-Ideologie. Die große Mehrheit weiß nicht, was diese Ideologie beinhaltet und spürt die Gefahr nicht. Eine kleine Anzahl von Personen – insbesondere Lehrer und Erzieher wie auch Katechisten und Priester – versuchen, selbst konstruktive Mittel zu finden, sich dieser Ideologie entgegenzustellen. Und dann gibt es Personen, welche die Absurdität dieser Ideologie bemerken und meinen, dass die Polen von selbst solch utopische Konzeptionen zuurückweisen, die man ihnen vorstellt. Jedoch: ohne dass jedoch die Gesellschaft darüber informiert wird und ohne die Zustimmung der Polen wird die Gender-Ideologie seit Monaten in verschiedene Strukturen des gesellschaftlichen Lebens eingebracht: in Erziehung, Gesundheit, Einrichtungen kulturellen Charakters und NGOs. In bestimmten Medien wird diese Ideologie positiv dargestellt: wie ein Kampf gegen die Gewalt oder eine Suche nach Gleichheit.

Die Kirche betrachtet den Menschen und sein Geschlecht als Einheit, sie bezieht die körperliche und biologische Dimension ebenso ein wie seine seelische, kulturelle, geistliche Dimension. Es ist nicht unangemessen, über den Einfluss der Kultur auf das Geschlecht zu forschen. Hingegen ist die ideologische Aussage gefährlich, das biologische Geschlecht habe keine wirkliche Bedeutung für das gesellschaftliche Leben. Die Kirche erklärt sich unmißverständlich gegen jegliche geschlechtliche Diskriminierung, aber sie betont gleichermaßen die Gefahr der Einebnung der Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Die Ursache der Diskriminierungen ist nicht etwa die Existenz zweier Geschlechter, sondern das Fehlen eines spirituellen Bezugs, der menschliche Egoismus und der Hochmut, gegen die beständig angekämpft werden muss. In keiner Weise ist die Kirche damit einverstanden, dass Menschen mit homosexueller Veranlagung gedemütigt werden, aber sie unterstreicht sehr eindringlich, dass praktizierte Homosexualität zutiefst ungeordnet ist und dass die Ehe, welche eben die Vereinigung eines Mannes und einer Frau ist, mit einer homosexuellen Gemeinschaft gesellschaftlich nicht auf die gleiche Stufe gestellt werden kann.

An diesem Fest der Heiligen Familie appellieren wir inständig an die christlichen Familien, an die Vertreter religiöser Bewegungen, an die Vereinigungen, die an die Kirche angeschlossen sind, und an alle Menschen guten Willens, mutig zu handeln und die Wahrheit über Ehe und Familie zu verbreiten. Mehr als je zuvor ist heute die Ausbildung der erzieherischen Milieus notwendig.

Wir appellieren auch an die Einrichtungen, die in Polen für die Erziehung verantwortlich sind, dass sie dem Druck jener Kreise, die zwar klein, aber ungemein lautstark sind, nicht nachgeben. Diese Kreise verfügen über beträchtliche Geldmittel und führen im Namen einer modernen Erziehung Experimente an unseren Kindern und Jugendlichen durch. Wir appellieren an alle, die erziehen, eine ganzheitliche Sicht auf den Menschen zu fördern.

Wir bitten alle Gläubigen, inständig für die Eheleute zu beten, für die Familien und für die Kinder, die sie großziehen. Bitten wir den Heiligen Geist, uns ohne Unterlass das Licht des Verstehens und der Erkenntnis dessen zu schenken, was nicht nur eine Bedrohung für die Familie, sondern auch für unser Vaterland und für die ganze Menschheit darstellt.

Beten wir auch darum, Menschen des Glaubens und mutige Verfechter der Wahrheit zu sein. Möge die Heilige Familie von Nazareth, in deren Schoß der Sohn Gottes, Jesus Christus, erzogen wurde, uns in dieser Angelegenheit ein Beispiel und eine geistliche Hilfe sein.

In diesem Sinne spenden wir allen unseren Hirtensegen.

Die Hirten der Katholischen Kirche in Polen