Liebe Mitbrüder
Liebe Schwestern und Brüder
Vorher, im Tagesgebet haben wir gebetet:
Herr, unser Gott,
deinem Ruf gehorsam, hat der heilige Bruder Klaus
Familie und Besitz verlassen,
um in der Einsamkeit für dich allein zu leben
du aber hast ihn zu einem Ratgeber für viele
und zu einem Mittler des Friedens gemacht.
Und nachher, bei der Präfation werden wir beten:
Er verliess in hochherzigem Entschluss alles, was er besass, und zog sich zurück in die Einsamkeit, um, frei von allen Bindungen an die Welt, ganz für dich, unseren Gott und Vater, zu leben. Du aber machtest die Klause im Wald zu einem Heiligtum seines Landes. In der Zwietracht und Verwirrung der Zeit wurde er zum Licht für das Volk als unermüdlicher Mahner zu Versöhnung und Frieden, zur Eintracht und zum christlichen Leben.
In diesen beiden Texten finden wir dieselbe Spannung, welche sich dann im Evangelium widerspiegelt, das wir vorher gehört haben.
Einerseits erklärte Jesus: «Ich habe ihnen dein Wort gegeben und die Welt hat sie gehasst, weil sie nicht von der Welt sind, wie auch ich nicht von der Welt bin». Und er wiederholte und bekräftigte: «Sie sind nicht von der Welt, wie auch ich nicht von der Welt bin». Andererseits sagte er: «Ich bitte nicht, dass du sie aus der Welt nimmst, sondern dass du sie vor dem Bösen bewahrst». Ich glaube, dass es sehr leicht ist, die erwähnte Spannung festzustellen. Es geht darum, nicht von der Welt zu sein und doch in der Welt zu bleiben. Ich sage es noch pointierter: Welt sein und gleichzeitig nicht Welt sein; in der Welt sein, ohne jedoch Welt zu sein, wie Jesus, aber um hier, auf unsere Erde ein Stück Himmel zu bringen, ja um das Glück und die Freude und den Frieden und die Erlösung und das Heil zu bringen.
Es wäre nicht richtig, zu meinen, dass Bruder Klaus in seiner Klause im Ranft sein wollte, um von den Anliegen der Welt verschont zu werden. Seine tiefsinnige Verbundenheit mit Gott brachte ihn der Welt noch näher und machte aus ihm eine wirksame Quelle des Heils und des Friedens für die Welt.
Es ergreift mich jedes Mal sehr, wenn ich am Anfang der Eucharistie die Gläubigen mit dem Ruf: «Der Friede sei mit euch» anspreche. Das Wesentliche der christlichen Botschaft ist und bleibt immer dieses: «Der Friede sei mit euch». Es geht darum, der Welt, allen Menschen, zu sagen, dass das Leben sich lohnt, dass wir untereinander in Frieden als Geschwister leben können, dass alles in der Welt geschenkt und Auftrag Gottes ist. Er ist und bleibt auf unserer Seite und deswegen kann schliesslich nichts schief gehen. Gott liebt uns. Er lässt uns nicht im Stich. Er ist Mensch geworden, um unser Leben zu teilen und um alles, was wir durchmachen, mit uns durchzumachen und mitzutragen. Wenn wir die Nachrichten hören, wenn wir manche Entwicklung in der Welt wahrnehmen, die Kriege, die Konflikte, die finanziellen Schwierigkeiten, die Krisen, die Aggressionen, die Diskriminierungen, die Ausbeutung der Schöpfung, die Ungerechtigkeiten, Benachteiligungen könnten wir über die Zukunft unsicher werden, Angst bekommen, schwarz in die Zukunft sehen. Als Priester, als Gläubige überhaupt, sollten wir dem entgegen verkünden, dass die Menschen und die Welt eine gute Zukunft haben. Ja, als Christinnen und Christen sind wir dazu berufen, ein Segen für die Welt zu sein, so wie wir es in der Lesung gehört haben: «Ein Segen sollst du sein. (…) Durch dich sollen alle Sippen der Erde Segen erlangen». Segnen, benedicere – wie wir wissen – bedeutet, das Gute, das Gott uns sagt, den Menschen zu vermitteln. Ein Segen macht die Zusage Gottes zu uns Menschen sichtbar bzw. hörbar, so wie die Gegenwart Jesu auf Erden der sichtbarste Beweis der Liebe Gottes zu uns Menschen war und bleibt. Wie sehr machte das Leben von Bruder Klaus in der Welt und für die Welt, ja in unserer Heimat, das Heil Gottes sichtbar. Versuchen wir, unermüdlich wie er – ohne verweltlicht zu sein und trotz unserer Schwächen und Unzulänglichkeiten – die Nähe Gottes sichtbar zu machen. Die Menschen brauchen diese Zuversicht. Die Menschen haben es dringend nötig, dass wir diese Zuversicht glaubwürdig verkünden.
Nun möchte ich noch eine Bezeichnung zu Sprache bringen, die Jesus benützt. Wenn er von den Jüngern – im Grunde von uns Menschen spricht – sagt er zum Vater: «Heiliger Vater, bewahre sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, damit sie eins sind wie wir!» Für Jesus sind die Menschen, jene, die der Vater ihm anvertraut hat. Dies ist eine herrliche, wunderschöne Bezeichnung. Wenn wir unsere Mitmenschen anschauen, sollten wir immer daran denken, dass Gott uns diese Menschen gegeben hat, anvertraut hat, damit wir sie beschützen, begleiten, ihnen verzeihen, sie lieben, zum Glück führen, ihnen Freude bereiten, wie Jesus es getan hat. Wenn wir als Seelsorger vielleicht nur für einen einzigen Menschen dies zustande bringen können, hat sich unser Dienst schon gelohnt und darf uns dies mit Freude erfüllen.
Kommen wir nochmals zurück zum Anfang: in der Welt sein und doch nicht von der Welt sein. Dies bedeutet im Grunde: Nicht angepasst, nicht verbürgerlicht, nicht bequem, egoistisch sein. Wir sollten alle als Christinnen und Christen Revolutionäre der Liebe, Non-Konformisten, total alternativ sein. Wir sind dazu berufen, nicht verweltlicht zu sein, aber 100% in dieser Welt und für diese Welt zu leben, wie unser Bruder Klaus, ja so wie Jesus! Amen
Sachseln, 30. September 2024
Joseph Maria Bonnemain
Bischof von Chur