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Bistum Chur

Homilie von Bischof Vitus Huonder am Hochfest von Ostern 2018

Brüder und Schwestern im Herrn

„Schafft den alten Sauerteig weg“ (1 Kor 5,7), schreibt der heilige Paulus den Gläubigen von Korinth. Warum wählt die Liturgie diesen Text für das Osterfest? Was ist das für eine Osterbotschaft? Das versteht doch kein Mensch mehr!

Nun, das christliche Osterfest hat seine Wurzeln im jüdischen Pascha oder Pesach. Die Adressaten des Schreibens in Korinth sind mit jüdischen Bräuchen vertraut. Sie kennen auch die jüdischen Osterbräuche.

Beim jüdischen Osterfest durfte es im jüdischen Haus keinen Sauerteig geben. Sauerteig ist eine Art Backhefe. Die jüdische Hausfrau musste auf das Osterfest hin die Küche sorgfältig vom kleinsten Rest davon reinigen. Das war nicht nur eine hygienische Maßnahme. Das war eine rituelle Vorschrift. Das war ein Ausdruck des jüdischen Glaubens.

Woher kommt diese Vorschrift? Sie hat einen Zusammenhang mit dem Auszug Israels aus Ägypten. Ostern ist der Gedenktag des Auszuges aus Ägypten. Israel erinnert sich an seine Befreiung vom Sklavenjoch Ägyptens.

Dieser Auszug hatte unter Zeitdruck stattgefunden. Alles musste sehr schnell gehen. Daher hatten die Frauen nicht mehr die Möglichkeit, normales, gesäuertes Brot zu backen. Die Zeit reichte nur für ungesäuerte Brotfladen. In Erinnerung daran wird daher das jüdische Osterfest mit ungesäuerten Broten begangen.

Im Wissen um diese Glaubensregel können wir den heiligen Paulus verstehen, wenn er schreibt: „Lasst uns also das Fest nicht mit dem alten Sauerteig feiern“ (1 Kor 5,8). Das heißt: Lasst uns Ostern so feiern, wie es sich gehört.

Doch der heilige Paulus gibt den Begriffen eine neue Bedeutung. Er verchristlicht den jüdischen Osterbrauch. Dem Sauerteig gibt er die Bedeutung der Bosheit und Schlechtigkeit, den ungesäuerten Broten hingegen die Bedeutung der Aufrichtigkeit und Wahrheit: „Lass uns also das Fest nicht mit dem alten Sauerteig feiern, nicht mit dem Sauerteig der Bosheit und Schlechtigkeit, sondern mit den ungesäuerten Broten der Aufrichtigkeit und Wahrheit“ (1 Kor 5,8). Der Christ, auch der Christ gewordene Jude, soll als österlicher Mensch leben, als in Christus neu geschaffener Mensch. Denn Christus hat ihn befreit, nicht aus einem Land, nicht aus Ägypten, sondern von der Sünde. Er soll deshalb den Sauerteig der Bosheit und Schlechtigkeit entfernen und das ungesäuerte Brot der Aufrichtigkeit und Wahrheit essen. Er soll nicht nur Christ heißen, er soll als Christ leben.

In welchem Zusammenhang spricht Paulus diese Worte? Er spricht sie im Zusammenhang einer bösen Erfahrung in Korinth. Korinth war eine Weltstadt. Da kommt allerhand zusammen, Gutes und Schlechtes, Edles und Verruchtes. Vor allem greift Unzucht um sich. Doch Unmoral jeder Art lässt sich mit dem Glauben an Christus nicht vereinbaren: „Täuscht euch nicht! Weder Unzüchtige noch Götzendiener, weder Ehebrecher noch Lustknaben, noch Knabenschänder, noch Diebe, noch Habgierige, keine Trinker, keine Lästerer, keine Räuber werden das Reich Gottes erben. Und solche gab es unter euch. Aber ihr seid reingewaschen, seid geheiligt, seid gerecht geworden im Namen Jesu Christi, des Herrn, und im Geist unseres Gottes“ (1 Kor 6,9-11).

Paulus macht den Korinthern bewusst, dass es eine Lebensweise gibt, welche sich nicht mit der Freiheit in Christus vereinbaren lässt. Der Sauerteig der Bosheit und das ungesäuerte Brot der Wahrheit lassen sich nicht vermengen. Wir können als österliche Menschen, als von Christus in die Auferstehung geführte Menschen, nicht irgendwie leben. Es gibt eine christliche Ethik, welche sich von jeder nicht christlichen Lebensweise unterscheidet. Dies beginnt beim werdenden Leben, geht weiter im täglichen Leben und schließt beim sterbenden Leben. Das ganze Leben eines Christen muss ungesäuertes Brot sein und sich vom alten Sauerteig unterscheiden. Wir haben kein Dach, das sich über jede Lebensorientierung ausbreitet. Wir haben nur ein Entweder-Oder. Es gibt kein Dazwischen. Es gibt kein ethisches Gleitpotenzial: „Täuscht euch nicht! Weder Unzüchtige noch Götzendiener, weder Ehebrecher noch Lustknaben, noch Knabenschänder, noch Diebe, noch Habgierige, keine Trinker, keine Lästerer, keine Räuber werden das Reich Gottes erben“ (1 Kor 6,9-10).

Ich wünsche Euch schöne Ostern, und dass Ihr begreift, was die Osterbotschaft für Eure Lebensführung bedeutet. Deshalb wiederhole ich mit dem heiligen Paulus: „Lasst uns also das Fest nicht mit dem alten Sauerteig feiern, nicht mit dem Sauerteig der Bosheit und Schlechtigkeit, sondern mit den ungesäuerten Broten der Aufrichtigkeit und Wahrheit“ (1 Kor 5,8). Amen.