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Bistum Chur

Homilie von Bischof Peter Bürcher für die Erwachsenenfirmung in der Kathedrale von Chur am Samstag, 7. März 2020

«Heute hast du der Erklärung des Herrn zugestimmt. Er hat dir erklärt: Er will dein Gott werden, und du sollst auf seinen Wegen gehen, auf seine Gesetze, Gebote und Rechtsvorschriften achten und auf seine Stimme hören» (Dtn 26,17).

«Heute, an diesem Tag, verpflichtet dich der Herr, dein Gott, diese Gesetze und die Rechtsvorschriften zu halten. Du sollst auf sie achten und sie halten mit ganzem Herzen und mit ganzer Seele» (Dtn 26,16).

«Ihr sollt also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist» (Mt 5,48).

Meine Lieben, das sind die Worte die wir soeben gehört haben. Es sind Worte des Lebens, weil Gott sie spricht! Worte für unser tägliches Leben! Worte für unser christliches Leben als Getaufte und Gefirmte im Wasser und im Heiligen Geist!

Ihr erinnert Euch alle sicher: Als Jesus nach Nazareth kam, wo er aufgewachsen war, ging er, wie gewohnt, am Sabbat in die Synagoge. «Als er aufstand, um vorzulesen, reichte man ihm die Buchrolle des Propheten Jesaja. Er öffnete sie und fand die Stelle, wo geschrieben steht: ‘Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn er hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe’. Dann schloss er die Buchrolle, gab sie dem Synagogendiener und setzte sich. Die Augen aller in der Synagoge waren auf ihn gerichtet. Da begann er, ihnen darzulegen: ‘Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt’. Alle stimmten ihm zu; sie staunten über die Worte der Gnade, die aus seinem Mund hervorgingen, und sagten: Ist das nicht Josefs Sohn?» (Lk 4,17-20).

Ja, meine Lieben, das Wort Gottes, das wir soeben gehört haben, erfüllt sich jetzt, für Euch besonders, die Ihr getauft seid und heute gefirmt werdet! Welche Gnade! Welche Freude! Gnade und Freude sind ja Früchte des Heiligen Geistes für Euch alle heute!

Ihr werdet mir aber vielleicht sagen: «Herr Bischof, schauen Sie, wir leben in diesen Tagen schwere Zeiten… Viele sind krank! Viele haben Angst! Hat Gott uns verlassen? Wo ist heute seine Liebe?». Solche Fragen können wir stellen! Die Antwort ist aber auch klar: «Nein, Jesus, der Sohn Gottes, ist da!«. Wie Blaise Pascal mit Recht schreibt: «Jesus wird bis zum Ende der Welt im Todeskampf liegen; während dieser Zeit darf man nicht schlafen». Unser Gott verlässt uns nie! Wir haben die Bibel, Gottes Wort! Wir haben die Sakramente der Kirche! Wir haben unsere Familie! Wir haben unsere lieben Mitmenschen auf unserem Lebensweg! «Seid gewiss, sagt uns Jesus: Ich bin jeden Tag bei euch, bis zum Ende der Welt» (Mt 18,20). «Meinen Frieden gebe ich euch; einen Frieden, den euch niemand auf der Welt geben kann. Seid deshalb ohne Sorge und Furcht!» (Joh 14,27).

Und wir sollten uns zum Beispiel daran erinnern, dass in noch viel ernsteren Situationen, denen der großen Pest, als die sanitären Mittel nicht diejenigen von heute waren, die christliche Bevölkerung sich eingesetzt hat durch kollektive Gebetsmomente, durch Hilfe für die Kranken, Hilfe für die Sterbenden und die Beerdigung der Verstorbenen. Kurz gesagt, die Jünger Christi wandten sich nicht von Gott ab und versteckten sich nicht vor ihren Mitmenschen. Im Gegenteil! Gott war mit ihnen allen am Werk der Liebe!

Meine Lieben, zeigt heute eine gewisse Panik nicht unsere verzerrte Beziehung zur Realität des Todes? Zeigt es nicht die angstauslösenden Auswirkungen des Vergessens Gottes? Vielleicht wollen wir bewusst oder unbewusst verbergen, dass wir sterblich sind, und wenn wir der spirituellen Dimension unseres Seins verschlossen sind, verlieren wir an Boden. Weil wir immer ausgefeiltere und effizientere Techniken haben, meinen wir, alles beherrschen zu können, und wir verbergen so, dass wir in der ganzen Welt nicht die Herren des Lebens sind!

Meine Lieben, heute begeht die Kirche den Gedenktag der Hl. Perpetua und der Hl. Felizitas, Märtyrinnen. In der Christenverfolgung des Kaisers Septimius Severus wurden Perpetua und Felizitas am 7. März 203 den wilden Tieren übergeben, dann mit dem Dolch getötet. Perpetua war eine jungverheiratete Patrizierin aus Karthago. Ihr alter Vater besuchte sie im Gefängnis und wollte sie mit dem Hinweis auf ihr einjähriges Kind zum Abfall des Glaubens bewegen. Felizitas war eine Sklavin und hatte im Gefängnis kurz vor der Hinrichtung eine Tochter geboren. Über das Martyrium der beiden haben wir Nachrichten aus erster Hand, teils von Perpetua selbst, teils von Augenzeugen. Eine jugendliche Glaubensfreude spricht aus diesen Berichten. Das sind alles Früchte des Heiligen Geistes, der die Kirche in allen, besonders in schweren Zeiten begleitet, wie uns alle heute.

Geben wir also nicht der Epidemie der Panik und der Angst nach! Papst Franziskus schreibt in «Christus vivit» (Nr. 130) den Jugendlichen, und dies gilt auch für uns alle: «In diesen drei Wahrheiten ‒ Gott liebt dich, Christus ist dein Retter, Er lebt ‒ erscheint Gott, der Vater, und Jesus. Wo der Vater und Jesus Christus sind, da ist auch der Heilige Geist».

Eine gute Mutter ist immer bei ihren Kindern, ganz besonders wenn diese leiden müssen. Das tut unsere himmlische Mutter Maria immer in exemplarischer Weise. Sie wurde ja vom Heiligen Geist überschattet! Uns liebevoll beschützen: das tut Maria heute noch, wie immer! Zu ihr können wir uns alle als frohe Getaufte und Gefirmte, ganz besonders in dieser Zeit der Not, hoffnungsvoll und liebevoll wenden:

Sei gegrüßt, o Königin,
Mutter der Barmherzigkeit,
unser Leben, unsre Wonne und unsre Hoffnung,
sei gegrüßt!
Zu dir rufen wir verbannte Kinder Evas;
zu dir seufzen wir trauernd und weinend
in diesem Tal der Tränen.
Wohlan denn, unsre Fürsprecherin,
wende deine barmherzigen Augen uns zu,
und nach diesem Elend zeige uns Jesus,
die gebenedeite Frucht deines Leibes.
O gütige, o milde, o süße Jungfrau Maria.

Amen.