Aschermittwoch — die Hoffnung stirbt zuletzt

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«Siehe, jetzt ist sie da, die Zeit der Gnade; siehe, jetzt ist er da, der Tag der Rettung.»

 

Liebe Mitbrüder
Liebe Schwestern und Brüder

Heute, an Aschermittwoch, beginnt die Fastenzeit. Diese Zeit ist nichts anderes, als das, was Apostel Paulus verkündete: Eine Zeit der Gnade, der Rettung, der seelischen Befreiung von all dem, was uns belastet und unser Leben schwer macht. Es ist eine Zeit des Lichtes, eine Zeit der Erneuerung, eine Zeit, um wiederzuentdecken, wie sehr die Beziehung zu Gott uns persönlich und als kirchliche Gemeinschaft glücklich machen kann. Die Welt braucht dringend Christinnen und Christen, die dank dieser Wiederentdeckung der Liebe, die Gott zu uns hat, allen Menschen Zuversicht und Hoffnung vermitteln können.

Gott ist – mit Worten aus dem Buch des Propheten Joël, «gnädig und barmherzig, langmütig und reich an Huld». Beim Nomen Huld handelt es sich um ein Adjektiv-Abstraktum zu hold. Im Mittelhochdeutschen wurde es verwendet in der Bedeutung von „Geneigtheit, Wohlwollen, Ergebenheit, Treue“. In dieser vorösterlichen Zeit ist es uns gegönnt, besonders deutlich zu erfahren, wie sehr Gott uns Menschen zugeneigt ist, wie sein Wohlwollen mit uns keine Grenzen von Zeit und Raum kennt und, dass seine liebende Treue uns gegenüber nie aufhört.

Auch im heutigen Evangelium sagt uns Jesus, was der Beweggrund seines göttlichen Vaters ist. Die Rede ist von Gebet, Fasten und Almosen geben und der Herr erklärt ausführlich, wie dabei die richtige Haltung sein soll. Es könnte deswegen sein, dass wir nicht mehr merken, welches das einzige Ziel ist, das Gott verfolgt. Jedes Mal wiederholt Jesus: «…und dein Vater, der das Verborgene sieht, wird es dir vergelten». Gott erwartet sehnsüchtig, dass er uns das Gute, das wir tun, vergelten kann. Er hat Freude daran, uns zu bescheren, uns mit Gaben und Gnaden, mit Hilfe und Beistand zu überhäufen, wie Jesus dies ein anderes Mal auch erklärte: «Gebt, dann wird auch euch gegeben werden! Ein gutes, volles, gehäuftes, überfliessendes Mass wird man euch in den Schoss legen.» (Lk 6,38)

Die Fastenzeit ist eine Zeit des Gewinns, eine Zeit des Wachstums, eine Zeit der Reife und der Entwicklung. Dies ist möglich, wenn die Gesinnung richtig ist. In Gott ist alles Sein und nicht Schein. Wir sollten uns in der Nachfolge Jesu, indem wir unseren Heiland und Herrn nachahmen, entscheiden, auch im Innern das zu sein, was wir äusserlich mit den Werken der Fastenzeit zum Ausdruck bringen.

Der Prophet Joël brachte bereits vor Tausenden von Jahren, das, was bei den Werken der Umkehr das Wesentliche ist, auf den Punkt: «Zerreisst eure Herzen, nicht eure Kleider, und kehrt um zum Herrn, eurem Gott!» Was ist gemeint, wie ist es gemeint, wenn man vom Zerreissen des Herzens spricht? Ich sehe es gerne so: Es geht darum, den Panzer der Gleichgültigkeit Gott und den Mitmenschen gegenüber zu zersprengen. Es geht darum, ein Herz zu entwickeln, das mit der Liebe Gottes mitschwingt und dadurch mit allen Anliegen der anderen mit schlägt. Seien wir davon überzeugt: Wir werden selber sehr glücklich werden, wenn wir unser Herz «so zerreissen», dass es offen und zugänglich für die Nöte, Leiden, Hoffnungen, Freuden, Engpässe der anderen wird.

Vor ein paar Tagen stellte mir ein Journalist des Portals kath.ch die Frage, wie ich als Bischof faste. Ich habe geantwortet, dass ich die diesbezüglich geltenden Bestimmungen der Schweizer Bischofskonferenz einhalte. Darüber hinaus sagte ich: Dabei ist das rein physische Fasten nicht das Wichtigste, sondern die Gesinnung der Umkehr und des Freiwerdens von Altlasten. Ich erachte das Fasten auf Lieblosigkeiten als das Wichtigste: Ungeduld, Unverständnis, keine Zeit haben für die anderen, unaufmerksam zuzuhören, Vorurteile, Diskriminierungen, Parteilichkeit, negatives Denken, unbegründete Kritik, Unbeherrschtheit, Gleichgültigkeit, Mangel an Mitgefühl. Ein solches Fasten ist sehr herausfordernd, aber sehr wirksam.

Liebe Schwestern und Brüder, ich kann Ihnen nur diese Art des Fastens empfehlen, wie ich es mir selber vorgenommen habe. Wir werden so in 40 Tagen froher, glücklicher und zufrieden sein und der Friede sein für viele unserer Mitmenschen. Amen

 

Kathedrale, Chur, 5. März 2025

Joseph Maria Bonnemain
Bischof von Chur

 

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