Ostern - Halleluja!

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Liebe Mitbrüder,
liebe Schwestern und Brüder

Wir haben gehört, was Maria von Magdala – total niedergeschlagen – Petrus und Johannes eröffnete: «Sie haben den Herrn aus dem Grab weggenommen und wir wissen nicht, wohin sie ihn gelegt haben.» Alle hatten die Kreuzigung und den Tod des Herrn erlebt. Ihre Herzen waren durchdrungen von Schmerz, Ohnmacht und Resignation. Ihre Hoffnung war zerschlagen, ihre vielversprechenden Zukunftsperspektiven durch das Wirken des Messias und Retters waren zunichte gemacht. Während des Wirkens Jesu auf Erden waren seine Gegenwart und Nähe alles für sie – und nun lag er tot in einem Grab. Es blieb ihnen nur noch einen schwachen Trost; mindestens einen Erinnerungsort, ein Grab, das seine irdischen Überreste barg. Und nun war das auch weg. Maria dachte, dass über das Grausame hinaus, noch Grausameres geschehen war. Man hätte den Leichnam des Herrn weggenommen, versteckt, ja vielleicht sogar geschändet: Schmerz über Schmerz.

Im Herrn Geliebte, geschieht das nicht manchmal auch in unserem Leben? Gibt es nicht Situationen, wo wir denken: Hätte ich nicht damit schon genug gehabt? Jetzt kommt auch das noch dazu? Übel über Übel. Wir denken dann: Es wird immer nur noch schlimmer, warum das jetzt auch noch? Ostern ist der Beweis, dass in solchen Situationen, wenn wir so fühlen, Gott eine absolute Wende hervorbringen kann.

Gehen wir zurück zu dem, was Maria von Magdala erlebte und spürte. Sie weinte untröstlich am Grab. Ihre Antwort an die zwei erschienenen Engel macht dies deutlich. «Sie haben meinen Herrn weggenommen und ich weiss nicht, wohin sie ihn gelegt haben.» Das Einzige, was ihr blieb, ist weg. Sie kann nur noch weinen. Wie sehr kann der menschgewordene Gott verstehen, dass wir in bestimmten Situationen das Gefühl haben, was uns noch am Leben gehalten hat, was uns im Leben noch einen Sinn gegeben hat, ist weg. Christus ist auferstanden, damit wir in solchen Situationen das Licht der Hoffnung wieder erblicken können.

Nun kommt Jesus zu Maria. Sie ist so verzweifelt, so niedergedrückt, dass sie noch nicht realisiert, dass die Wende bereits da ist. Sie bringt nochmals ihre Verzweiflung und ihren Kummer zur Sprache. Auf die Frage des Herrn: «Frau, warum weinst du? Wen suchst du?», antwortet sie in der Annahme, dass es der Gärtner sei: «Herr, wenn du ihn weggebracht hast, sag mir, wohin du ihn gelegt hast! Dann will ich ihn holen.» Sie will unbedingt diesen letzten Trost, die Gegenwart des Leichnams nicht vermissen. Das, was der Inhalt ihres Lebens bedeutete, war weg und die letzte Erinnerung durch den Besuch eines Grabes war auch weg. Unser Glaube begnügt sich gelegentlich mit dem Trost einer Erinnerung, eines Symbols. Wir möchten, wir suchen, wir wollen etwas haben, das uns das Gefühl vermittelt, dass Gott uns nicht ganz im Stich gelassen hat. Es ist ein Glaube, der mit Bildern, Gebeten, Ritualen, Symbolen, Gottesdiensten, Erzählungen, Darstellungen funktioniert. Das ist aber nicht der wirklich christliche Glaube. Wir feiern an Ostern das Wesen und den Kern unseres Glaubens, nämlich: Wir sind dazu geboren und berufen, eine persönliche Beziehung im Heute, in der Gegenwart und an jedem Tag mit dem lebendigen Gott zu pflegen. Hören wir nun nochmals ganz genau die Frage des Auferstandenen an Maria an: «Warum weinst du? Wen suchst du?» Ja, Gott fragt uns oft: Was ist los mit dir? Weisst du nicht, dass ich lebendig, auferstanden, reell, mit meiner ganzen Allmacht da, bei dir bin?

Wie wir in der Apostelgeschichte hörten, konnte Petrus, als er über die Auferstehung des Herrn berichtete, sagen: «Gott hat ihn am dritten Tag auferweckt und hat ihn erscheinen lassen (…) Uns, die wir mit ihm nach seiner Auferstehung von den Toten gegessen und getrunken haben.» Wahrscheinlich denken wir: Ja, für die Apostel war es einfach zu glauben. Sie hatten ihn nach der Auferstehung physisch, reell gesehen, berührt, erlebt, gehört. Wenn dasselbe mit uns geschehen würde, wäre es auch ganz einfach zu glauben. Folgender Gedanke kommt uns dann bestimmt manchmal: Wenn er mir erscheinen würde, wenn ich ein Wunder erleben würde, wenn ich ihn heute sehen könnte, dann würde es mir viel leichter fallen zu glauben. Und dennoch ist dieser Gedanke nicht ganz logisch.

Gerade als Maria sich die Gegenwart des Auferstandenen sichern wollte und versuchte, ihn zu fest zu halten, ja, sie wollte nicht mehr riskieren, ihn wieder vermissen zu müssen, sagte Jesus zu ihr: «Halte mich nicht fest; denn ich bin noch nicht zum Vater hinaufgegangen. Geh aber zu meinen Brüdern und sag ihnen: ich gehe hinauf zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott.»

Jesus versuchte, Maria zu erklären, dass wenn er einfach für sie dableiben würde, wäre das zu wenig. Selbst das wäre eine schwache Gegenwart. Nur wenn er im Himmel sei, könne er zustande bringen, dass der ganze Himmel auf Erden sei, bei uns, für uns. Die Erklärung des Herrn bedeutet: Wenn ich im Himmel bin, erst dann, bin ich wirklich und endgültig für dich und für alle höchst persönlich gegenwärtig. Weil ich im himmlischen Vater bin, ist der himmlische Vater für euch und mit euch da. Der österliche Glaube bedeutet, dass wir uns nicht bloss mit einer rein sichtbaren, betastbaren Dimension, mit einer körperlichen Realität begnügen müssen; es wäre für unser Herz zu wenig. Unser Herz verdient mehr als Erlebnisse, Sensationen, Emotionen und Gefühle. Wir Menschen sind für das Unendliche geschaffen. Wir brauchen, vom Herrn zu hören: «Seid gewiss, ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.» Es ist eine dauernde Zeit der Auferstehung. Alle Tage sind österliche Tage, jeder Tag unseres Lebens. Er, der Heiland und Erlöser, ist für jede und jeden und für alle gleichzeitig in einer innigen Beziehung da, weil er die Dimensionen von Zeit und Raum überwunden hat. Auferstehung heisst, dass das, was mit der Geburt Jesu begann, nämlich: dass Gott der Immanuel ist, der Gott mit uns, zur Vollendung gelangt ist. Wie sehr passt hier die Aussage des hl. Paulus an die Gemeinde in Kolossä: «Seid ihr nun mit Christus auferweckt. So strebt nach dem, was droben ist, wo Christus zur Rechten Gottes sitzt! Richtet euren Sinn auf das, was oben ist, nicht auf das Irdische.» Weil unser Sinn auf das Himmlische gerichtet ist, sind wir im Stande, das Himmlische auf Erden zu erleben, ja, das Himmlische auf die Erde herunter zu holen. Nur so finden Menschwerdung, Auferstehung und Erlösung statt. Amen

 

Chur, 20. April 2025

Joseph Maria Bonnemain
Bischof von Chur

 

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