Liebe Christgläubige, Frauen und Männer im Bistum Chur und anderswo,
in der Osterliturgie beten wir: „Schaffe uns neu durch deinen Geist, damit auch wir auferstehen und im Licht des Lebens wandeln.“
Der Ausdruck “Licht des Lebens“ ist am Ostertag durch und durch treffend. In der Osternacht entzünden wir die Osterkerze, welche den Sieg Christi über die Finsternis und das Dunkel darstellt.
Der Tod hat nicht das letzte Wort. Das Leben, das Christus uns gegeben hat, verdrängt alles Dunkel der Welt. Es ist kein Zufall, dass wir Ostern nach dem ersten Frühlings-Vollmond feiern. Wir leben in einem Land, in dem der Wechsel zwischen den vier Jahreszeiten gut spürbar ist. Nach dem kalten Winter freuen wir uns sehr auf den Frühling. Wir haben den Sommer gern, schätzen aber auch die Farben des Herbstes, und die schneebedeckten Landschaften erwecken in uns besondere Sehnsüchte. Dennoch hat der Frühling etwas ganz Besonderes. Niemand würde weder in einer ewigen Eiszeit leben wollen, noch in dauernder Hitze. Wir schätzen den Herbst, weil wir wissen, dass nach dem Winter ein neuer Frühling kommen wird.
Als Christen entdecken wir an jedem Tag des Jahres und in jeder Jahreszeit das Aufblühen des Lebens. Als gläubige Menschen sind wir davon überzeugt, dass mit jedem Tag des Lebens der ewige Frühling immer näher heranrückt. Diese Glaubensüberzeugung macht uns zuversichtlich, selbst mitten in Kälteperioden, in dunklen Abschnitten des Lebens.
Diese Zuversicht – dank dem endgültigen Sieg Christi über den Tod – bedeutet aber nicht, dass wir die Baustellen in unserem Leben, die dunklen Ecken in der Welt, in der Gesellschaft und in der Kirche verdrängen: Es gibt sie und es sind viele. Wir sind gegenwärtig stets mit den beklemmenden Schatten einer langandauernden Pandemie konfrontiert. Wird sich die Osterfreude einstellen können? Das hängt auch von uns ab.
Wir werden vom Auferstandenen eingeladen, Verkünderinnen und Verkünder des unbesiegbaren Lebens zu sein. Die Welt braucht dringend diese Hoffnung und Zuversicht. Christus ist auferstanden für uns Menschen. Er ist in unserem Menschsein auferstanden. Wir feiern an Ostern die Auferstehung des Menschlichen, unsere Auferstehung.
Nach jeder Krise in der Geschichte ist die Menschheit mit neuem Elan, mit neugewonnenen Erfahrungen, mit einer gestärkten Solidarität, mit gewagter Kreativität aufgebrochen und vorangegangen. Das soll auch jetzt nach der belastenden Pandemie der Fall sein nicht zuletzt, weil das Leben des Auferstandenen unser Leben geworden ist. Frohe Ostern!
Joseph Maria
Bischof von Chur