Liebe Mitbrüder im priesterlichen und diakonalen Dienst,
liebe Theologinnen und Theologen im seelsorglichen und verkündenden Dienst,
liebe Schwestern und Brüder
Das Spezifische, das Besondere der heutigen Liturgie besteht in der Segnung und Weihe der Heiligen Öle. Sie dürfen heilig genannt werden, weil sie für das Heil der Menschen gedacht und verwendet werden. Es geht dabei um ein umfassendes Heil – das Heil des ganzen Menschen – das der Heiland der Welt, Jesus Christus, dem Menschen schenkt. Es sind Zeichen jenes Heils, das ER selber ist, das nur ER ist.
Die Schönheit, die Tragweite dieses Heilswirkens hat Jesaja mit prophetischen Worten verkündet, welche in der heutigen Liturgie jeweils vorgetragen werden: «Der Geist Gottes, des Herrn, ruht auf mir. Denn der Herr hat mich gesalbt; er hat mich gesandt, um den Armen frohe Botschaft zu bringen, um die zu heilen, die gebrochenen Herzens sind, um den Gefangenen Freilassung auszurufen und den Gefesselten Befreiung, um ein Gnadenjahr des Herrn auszurufen, einen Tag der Vergeltung für unseren Gott, um alle Trauernden zu trösten, den Trauernden Zions Schmuck zu geben anstelle von Asche, Freudenöl statt Trauer, ein Gewand des Ruhms statt eines verzagten Geistes.»
Wir dürfen nicht resignieren, wir dürfen uns nicht von all dem Schrecklichen, das in der Welt geschieht, entmutigen lassen, eine pessimistische Haltung einnehmen. Wir Christen sind der Überzeugung und glauben, dass die Heilswirksamkeit der Erlösung sich letztlich durchsetzen wird. Dies ist der Glaube, der uns heute hier versammelt.
Als der Herr diese Worte Jesajas damals vortrug, sagte er am Schluss: «Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt.» Dieses Heute ist ein stets aktuelles und ewiges Heute, dieses Heute vergeht nie mehr. Es ist das Heute Gottes. Wir alle sind gesalbt und gesandt, damit diese Aktualität des Heils immer aktuell bleibt.
Wir sind heute hier zusammen: Priester und Gläubige, die sich mitten im Beruf und Familienleben, in den vielfältigen gesellschaftlichen Herausforderungen befinden, Theologinnen und Theologen im seelsorglichen und verkündenden Dienst, Diakone, Seminaristen und Theologiestudierende.
Man könnte auf der einen Seite davon sprechen, dass wir verschiedene spezifische Berufe, Berufungen und Sendungen haben. Auf der anderen Seite aber sind wir alle als Volk Gottes für die Weitergabe des Evangeliums und des Heils verantwortlich. Wir sind ein Volk für das Volk, für alle Völker, um das Heilswirken Gottes auf Erden zu verkünden, ja wie diese Heiligen Öle, Zeichen des Heils zu sein für die Welt. Wir verkünden es mit der Botschaft, die wir bekennen, aber vor allem mit unserem Leben, mit unserem Einsatz – in unserem Dienst als Getaufte, Gefirmte, als Gesandte, als Geweihte. Es ist der Leib Christi im Heute mit seiner Vielfalt von Gliedern, Charismen, Aufgaben und Fähigkeiten, welcher weiterhin die Heilshoffnung für die Welt darstellt.
Der Prophet Jesaja hat es auf den Punkt gebracht: «Ihr werdet Priester des Herrn genannt, Diener unseres Gottes sagt man zu euch.» Liebe Schwestern und Brüder, dies gilt für uns alle von Anfang an und bis zum Schluss, für alle Christen. Wie das II. Vatikanum hervorhebt, besteht ein Wesensunterschied zwischen dem Dienstpriestertum der Geweihten und dem gemeinsamen Priestertum aller Gläubigen. Dieser Unterschied verblasst aber angesichts der gemeinsamen Heilssendung. Jede und jeder ist für diese Sendung unentbehrlich. Diese Überzeugung sollte uns zutiefst prägen und ermöglichen, dass wir eng verbunden miteinander die Heilssendung in der Welt und für die Welt wahrnehmen.
Es heisst im heutigen Evangelium über den Auftritt Jesu in der Synagoge in Nazareth, dass die Augen aller auf ihn gerichtet waren. Darf ich diese Fixiertheit der Erwartung als Sinnbild für die Verbundenheit, welche zwischen uns bestehen sollte, benützen?
Wenn ich als Priester meine Augen auf die anderen, welche in der Kirche nicht Priester sind, aber einen verkündenden und seelsorglichen Dienst wahrnehmen, richte, sehe ich in ihnen die Anwesenheit im Heute des Heilands der Welt? Fixiere ich als Priester meine Augen auf die Gläubigen, die mitten in der Symphonie der menschlichen Tätigkeiten sich engagieren und sehe ich dabei in ihnen das Heil der Welt? Spornt mich diese Art zu sehen dazu an, intensiv und hartnäckig für die Berufung der Getauften, für die Berufung der Familien, der Berufstätigen, für die Berufungen der Theologinnen und Theologen, für die Sendung der Diakone zu beten?
Und wenn ihr, Diakone, Theologinnen und Theologen die Augen auf die Priester richtet, spornt euch dieser Blick dazu an, um Priesterberufungen zu beten?
Im Herrn Geliebte, wenn wir uns heute hier gegenseitig anschauen, verbindet uns jene Liebe, die sich bewusst ist, dass die anderen unser Heil sind?
Darf ich sehr ehrlich sein? Die heutige Predigt hat mich lange beschäftigt. Ich wollte unbedingt das sagen, was ich nun zu sagen versuche. Wir müssen mit Rivalitäten, mit Vergleichen und Konkurrenzdenken aufhören. Wir dürfen uns nicht weiter mit der Frage beschäftigen, was wir dürfen und nicht dürfen, was die anderen können oder nicht können. Wir werden die Welt erneuern, Heil für die Welt sein, wenn wir alle einander in unserer Verschiedenheit bewundern, fördern und unterstützen, erst wenn wir einander anschauen und denken: ich brauche dich.
Jesus ging – heisst es – wie gewohnt am Sabbat in die Synagoge. Er ging dorthin, wie gewohnt, aber ohne Angewöhnung, ohne Routine, mit der Erneuerungskraft der Liebe. So konnte er das Prophetische verwirklichen und verkünden: Heute hat sich das Heil erfüllt. In diesem Geist können wir nun unserem Bistum, allen Menschen in ihm, die spezifische und die gemeinsame Erneuerung unserer christlichen Berufung und Sendung schenken. Amen.
Impressionen von der Chrisam-Messe: