Am 14. Juni 2021 war Bischof Joseph Maria in Stans zur Versammlung des Grossen und Kleinen Landeskirchenrates der Röm-kath. Kirche in Nidwalden eingeladen. Seine Ansprache hier im Wortlaut.
Geschätzte Frau Präsidentin, geschätzte Mitglieder des Grossen und Kleinen Landeskirchenrates der Röm.-Kath. Kirche in Nidwalden
Mit Freude und Dankbarkeit habe ich die Einladung angenommen, heute Abend hier bei Ihnen zu sein. Dass ich als Diözesanbischof anlässlich Ihrer Landeskirchenversammlung in Ihrer Mitte willkommen bin, zeigt wie sehr Sie Kirche sind und Kirche sein wollen. Meinerseits möchte ich dadurch meiner Überzeugung Nachdruck verleihen, dass wir nur gemeinsam die Frohbotschaft des Herrn motivierend und glaubwürdig für die Menschen im Hier und Heute verkünden können. Spaltung, Polarisierung und Misstrauen lähmen die Kraft des Evangeliums.
In den letzten Wochen durfte ich in einigen Nidwaldner Pfarreien bereits das Sakrament der Firmung spenden. Bei diesen Begegnungen habe ich wahrgenommen, wie sehr die Seelsorgenden und die Kirchenräte zusammenwirken, um ein lebendiges und anziehendes kirchliches Leben zu ermöglichen. Das ist es, was wir brauchen!
Gerne betrachte ich mit Ihnen zwei Gedanken von Papst Franziskus, die er in seiner diesjährigen Fronleichnamspredigt äusserte. Er sprach über den damaligen Ort für die Feier des letzten Paschamahls von Jesus mit den Aposteln und sagte:
«Ein grosser Raum für ein kleines Stück Brot. Gott macht sich klein wie ein Stück Brot, und gerade daher bedarf es eines grossen Herzens, um ihn erkennen, anbeten, aufnehmen zu können. Die Gegenwart Gottes ist so demütig, verborgen, zuweilen unsichtbar, dass sie ein vorbereitetes, waches und einladendes Herz benötigt, um erkannt zu werden. Wenn unser Herz jedoch anstatt einem grossen Raum eher einer Abstellkammer ähnelt, in der wir wehmütig alte Dinge aufbewahren; wenn es einem Dachboden ähnelt, in dem wir seit geraumer Zeit unseren Enthusiasmus und unsere Träume verstaut haben; wenn es einem engen Zimmer, einem dunklen Zimmer ähnelt, weil wir nur von uns selbst leben, von unseren Problemen und unserer Bitterkeit, dann wird es unmöglich sein, diese stille und demütige Gegenwart Gottes zu erkennen. Es bedarf eines grossen Saals. Man muss das Herz weit machen. Es tut not, aus dem kleinen Zimmer unseres Ichs herauszukommen und in den großen Raum des Staunens und der Anbetung einzutreten. Und dies fehlt uns sehr! Dies fehlt uns in den vielen Aktionen, die wir unternehmen, um Treffen und Versammlungen abzuhalten und gemeinsam über die Pastoral nachzudenken … Wenn aber dies fehlt, wenn das Staunen und die Anbetung fehlen, gibt es keinen Weg, der zum Herrn führt. Und es wird auch keine Synode geben, nichts. Dies ist die Haltung angesichts der Eucharistie, dies benötigen wir: Anbetung. Auch die Kirche muss ein grosser Raum sein».
Diese tiefe Überzeugung von Papst Franziskus sollte uns zum Nachdenken anspornen. Ich habe vorher bereits gesagt, dass wir alle Kirche sind. Ihre Landeskirchenversammlung wird Kirchenversammlung sein und bleiben, wenn im Herzen jedes Mitglieds diese anbetende Gegenwart Gottes gepflegt und gefördert wird.
Dann sind wir mit Begeisterung für die Menschen da und gehen beharrlich voran, dann lassen wir uns nicht blockieren von Problemen und Herausforderungen, von Kleinkariertheit und beengendem lokalem Denken. Und dann geschieht das, was Papst Franziskus anschliessend hinzufügte: «Nicht ein kleiner und geschlossener Kreis, sondern eine Gemeinschaft mit offenen Armen, die alle aufnimmt. Fragen wir uns dies: Wenn sich jemand nähert, der verwundet ist, der sich verfehlt hat, der einen anderen Lebensweg hat, ist dann die Kirche, diese Kirche, ein grosser Raum, um ihn aufzunehmen und ihn zur Freude der Begegnung mit Christus zu führen? Die Eucharistie will denjenigen nähren, der entlang des Weges müde und hungrig geworden ist, vergessen wir das nicht! Die Kirche der Vollkommenen und Reinen ist eine Kammer, in der es für niemanden einen Platz gibt; die Kirche der offenen Tür, die sich feiernd um Christus versammelt, ist hingegen ein grosser Raum, in den alle – alle, Gerechte und Sünder – eintreten können».
Und ich füge hinzu: Was für eine Freude sich für eine solche Kirche einzusetzen! Ich danke Ihnen für Ihre Bereitschaft, genauso Kirche mitzugestalten. Wir brauchen Anbetung, um die Tiefe, die Offenheit und die Geschwisterlichkeit zu leben. Denn nur wenn wir offen und geschwisterlich leben und handeln, erweist sich unsere Gottesverbundenheit als echt.
Am 17. Oktober werden wir alle in unserem Bistum und in der ganzen Weltkirche zu einem von Papst Franziskus angeregten synodalen Prozess aufbrechen. Wo die beiden Merkmale von Offenheit und Geschwisterlichkeit den synodalen Prozess prägen, werden sie auch Frucht tragen.
Erlauben Sie mir, abschliessend ein Thema anzusprechen, das mir sehr am Herzen liegt. Letzte Woche wurden die überarbeiteten Richtlinien des Genugtuungsfonds für Opfer verjährter sexuellen Übergriffe im kirchlichen Umfeld veröffentlicht. In diesem Bereich hat die Katholische Kirche in der Schweiz in den letzten zwanzig Jahren beachtliche Fortschritte gemacht. Dennoch können wir nur zuversichtlich in die Zukunft voranschreiten, wenn wir den Mut haben, die Verbrechen der Vergangenheit restlos aufzudecken, die Schuld der Kirche anzuerkennen, echte Reue und Umkehr zu wagen: gefordert sind konkrete Taten, nicht leere Worte.
Die Vorbereitungen für ein diesbezügliches gesamtschweizerisches Pilotprojekt sind weit fortgeschritten. In Auftrag gegeben haben diese Studie die Bischofskonferenz, die Vereinigung der Höhern Ordensobern der Schweiz und die Römisch-Katholische Zentralkonferenz. Ich bin Ihnen äusserst dankbar, wenn Sie als Mitglied der RKZ sich mit allen Kräften für die Realisierung des Projektes einsetzen und dafür alle und jede Kirchgemeinde motivieren.
Ich danke Ihnen herzlich für Ihre Bereitschaft, dass Sie sich in landeskirchlichen Gremien für die Belange der Kirche einsetzen und ich wünsche Ihnen Gottes reichen Segen für Ihre Arbeit.