Am 28. Mai war Bischof Joseph Maria an eine Versammlung der Legislative und Exekutive der römisch-katholischen Kantonalkirche Schwyz eingeladen. In seiner Ansprache nahm er unter anderem Bezug auf die anstehende Abstimmung zu Ausländerstimmrecht.
Sehr geschätzter Präsident und sehr geschätzte Mitglieder des Kantonskirchenrates
Sehr geschätzter Präsident und sehr geschätzte Mitglieder des Kantonalen Kirchenvorstandes
Zuerst freue ich mich und ich danke Ihnen, dass ich heute bei Ihnen sein darf. Nur durch Nähe können wir gemeinsam als eine Kirche wirken und eine Kirche sein, welche den Menschen die Nähe Gottes vermittelt.
Erlauben Sie mir, dass ich auf einige ausgewählte Bereiche das bekannte katholische Prinzip «et…et», übersetzt: «sowohl… wie auch», anwende. Gegenwärtig stellen wir in vielen Bereichen der Kirche und Gesellschaft eine Tendenz zu Radikalisierung und Polarisierung fest. Wer nicht in einer bestimmen Art denkt oder handelt, wird unter Verdacht gestellt und marginalisiert. Es herrscht eher das Prinzip «aut…aut», d.h. «entweder…oder». So zu denken ist der Anfang des Sektiererischen. Das wirklich Katholische ist Weite, integriert, verbindet Gegensätze und sucht die Geschwisterlichkeit: «Et…et», «sowohl… wie auch».
Sie – geschätzte Räte – bilden die Legislative und Exekutive der Kantonalen Landeskirche. Sie sind Organe einer staatskirchenrechtlichen Körperschaft öffentlichen Rechtes. Die Katholische Kirche kennt ihrerseits kanonische Organe und Gesetze. Wenn wir den Willen Gottes verwirklichen möchten, d.h. beitragen wollen, dass alle Menschen gerettet werden, sollten wir für dieses Duale System dankbar sein. Es gibt Platz, Aufgaben, Verantwortung und Zuständigkeiten für beide Realitäten. «Et…et», einvernehmlich und im gegenseitigen Vertrauen: Dies ist der Grund, warum ich heute hier bin. Nur gemeinsam werden wir schliesslich den Menschen ins Zentrum stellen können.
Gerne spreche ich nun ein Thema direkt an, das für Sie sehr aktuell ist: das Stimm- und Wahlrecht für alle Katholikinnen und Katholiken, auch diejenigen aus dem Ausland. Die sozio-politische Realität eines Landes, bzw. einer Nation, kann, je nach Konstellation, rechtfertigen, dass Nicht-Einheimische nur eingeschränkte politische Rechte innehaben dürfen. Auch gläubige Menschen dürfen für den Bereich der säkularen Gesetzgebung diese Überzeugung verteidigen. Die katholische Kirche ist zwar eine auf Erden verankerte, sichtbare Institution, sie ist aber gleichzeitig eine transzendente, übernatürliche Wirklichkeit. Sie umfasst alle Getauften, ohne Unterschied von Rasse, Hautfarbe, Sprache, Nationalität, Kultur, Stand und Geschlecht. Für einen gläubigen Menschen bedeutet dies: In der Kirche sind wir Geschwister und gibt es keine Ausländer. In der Kirche sollten in einem gewissen Rahmen alle dieselben Rechte haben. Auch hier gilt das «et…et»-Prinzip: Nämlich das Zusammengehen eines politischen Denkens für das Weltlich-politische und eines katholischen – d.h. alle umfassenden – Denkens für das kirchliche Leben.
Einen dritten Bereich bringe ich zur Sprache. Wir sind überzeugte Demokratinnen und Demokraten mit einer sehr langen Tradition. Wir haben gelernt, was Dialog, Kompromisssuche, Subsidiarität und Partizipation heissen. Wir dürfen als Schweizerinnen und Schweizer stolz darauf sein. Die katholische Kirche ist keine Monarchie, sie hat jedoch eine hierarchische Struktur und ist an die Offenbarung, ans Wort Gottes, an die Tradition und an das Lehramt gebunden. Beides sollte – gerade, weil katholisch – Platz haben: «et…et». Papst Franziskus hat diese Woche entschieden, dass es im Hinblick auf die Synode 2023 eine diözesane Phase geben muss, bei der alle sich beteiligen können. Der synodale Weg wird für uns eine privilegierte Gelegenheit sein, um die partizipative Schweizer Tradition mit den Eigenschaften der Weltkirche zu verbinden, damit eine gegenseitige Bereicherung entstehen kann. Kirchliche Synodalität bedeutet vor allem, durch die Stimme der Menschen die Stimme Gottes zu erkennen.
Zuletzt hebe ich noch ein für mich höchst prioritäres Thema hervor. Die besten dualen Strukturen tragen nur Frucht, wenn wir auf engagierte Gläubige – dafür danke ich Ihnen auch hier – und auf glaubwürdig die Frohbotschaft Gottes verkündende Seelsorgende bauen können. Konkret: Wir brauchen Seminaristen, welche später als Priester mit einer ausgewogenen, reifen Persönlichkeit wirken werden. Ebenso brauchen wir auch Studentinnen und -Studenten an unserer Theologischen Hochschule Chur, welche später als nicht-geweihte Theologinnen und Theologen in der Seelsorge wirken können. Bitte mobilisieren Sie Ihre Kirchgemeinden, damit diese sehr bewusst Berufungen zum Seelsorgedienst höchste Priorität beimessen und diese fördern.
Und ich habe noch ein Anliegen: Tragen Sie Sorge zum Kloster Einsiedeln. Dieses Marienheiligtum im Herzen des Kantons Schwyz ist eine grosse Quelle der Gnade für unser Bistum, für die ganze Schweiz und darüber hinaus.
Ich danke Ihnen ganz herzlich für ihre Arbeit und wünsche Ihnen Gottes reichen Segen.