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Bistum Chur

„Höchste Zeit, Forderungen umzusetzen“

Bischof Joseph Maria Bonnemain nimmt die Anliegen der diözesanen Versammlungen auf

An drei verschiedenen Versammlungen haben Ordensleute, Delegierte der Dekanate und junge Erwachsene die Ergebnisse der online-Umfrage des Synodalen Prozesses des Bistums Chur, daraus resultierende Fragen und Auswertungen, besprochen. Die Tagungen fanden in Chur und Zürich statt und stiessen auf reges Interesse. Die Motivation und Bereitschaft, sich für die Kirche und ihre künftige Ausrichtung zu engagieren war bei allen Gruppen spürbar. „Es tut gut, zu sehen, wie viele Frauen und Männer sich für ihren Glauben einsetzen“, sagt Bischof Joseph Maria Bonnemain. Einer alleine könne niemals bewirken, was alle zusammen bewegen könnten, fügt er an. Gemeinsam mit ihm auf dem Weg in die Zukunft werden neu auch junge Erwachsene sein. Als erstes Bistum der Schweiz entsteht in Chur ein Jugendrat, der den Bischof bei seiner Mission unterstützt. Es ist ihm ein Herzensanliegen, dass die jungen Frauen und Männer ihre Ideen und Visionen einbringen können: „Sie sind die Zukunft, die Gegenwart der Kirche.“

Die Wünsche und Anliegen, die Voten und Einwände an den verschiedenen Versammlungen spiegelten die Weite und Vielfältigkeit der katholischen Kirche. Ein junger Theologiestudent wünscht sich nicht dasselbe wie eine ältere Pfarreisekretärin, die täglich mit Freud und Leid am Telefon konfrontiert wird. Die Ordensschwester in einem Kloster sieht die Welt nicht aus derselben Perspektive wie der Präsident einer staatskirchlichen Körperschaft oder ein Seelsorger. Anliegen wie die Volkswahl des Bischofs, damit auch jeder Urner und jede Zürcherin, alle Kirchbürger aus jedem der sieben Bistumskantone ihr Kirchenoberhaupt mitbestimmen können, prallen auf Wünsche nach mehr Präsenz des Bischofs in jeder einzelnen Pfarrei. „Wäre es möglich, dass uns Bischof Joseph Maria zwei Mal pro Jahr eine persönliche Grusskarte sendet?“, fragte eine Pfarreileiterin. Bischof Joseph Maria hat zugehört, intensiv: „An Ort und Stelle bewegt man mehr, das habe ich heute wieder erlebt.“ Es sei höchste Zeit, die Forderungen umzusetzen, wobei man aber auch immer unterscheiden müsste, was wo realisierbar sei und gewisse Entscheide müssten in Rom gefällt werden.

„Die Versammlung war geprägt von einer intensiven und engagierten Teilnahme bzw. Teilhabe der delegierten Vertreter*innen bis zum Schluss“, stellte Rudolf Vögele, Koordinator der Vorbereitungsgruppe des Synodalen Prozesses und Leiter Ressort Pastoral im Generalvikariat für die Bistumsregion Zürich-Glarus , fest. Das zeige bereits die hohe Bereitschaft auf die Nachfrage, wer weiterhin bereit sein würde, am Thema Synodalität bzw. an einem Entwicklungsprozess mitzuwirken, führt er aus. „Viel Engagement, grosse Hoffnung, offene Fragen wie auch bleibende Skepsis kamen in der diözesanen Versammlung des Bistums Chur zur Sprache“, resümiert Eva-Maria Faber, Professorin an der Theologischen Hochschule Chur und Mitglied der Vorbereitungsgruppe. Die immense Herausforderung werde sein, einen synodalen Stil – also die Bereitschaft, einander mit Respekt und Offenheit zuzuhören – nicht mit der Utopie zu verwechseln, dass es am Schluss eindeutige oder gar einstimmige Voten gäbe. „Darum brauche es synodale Verfahren, in Respekt voreinander auch bei Uneinigkeit dennoch Richtungen wählen und Entscheidungen treffen zu können“, sagt sie. Wünsche wie eine Ombudsstelle, eine Ansprechperson, an die man mit Problemen und Schwierigkeiten gelangen könne, ohne Repressionen befürchten zu müssen, egal welche Identität man habe oder Lebensweise man führe, könnten hier vor Ort und ohne Weisung von Rom eingeführt werden. Solche Anliegen können bereits umgesetzt werden.

Bischof Bonnemain hat grösstes Verständnis für die Enttäuschung und manchmal bereits schon Wut einiger Rednerinnen und Redner: „Wer sich über Jahre unzählige Male zu Wort gemeldet hat, sein Anliegen vorgetragen hat, verliert die Geduld, länger abzuwarten.“ Man fühle sich nicht ernst genommen, diskriminiert und ausgeschlossen. In diesem Sinne hatte sich auch die Züricher Synodalratspräsidentin, Franziska Driessen-Reding, zu Wort gemeldet und gefordert, dass aus der Versammlung direkt eine Arbeitsgruppe gebildet werde, die die Arbeit fortführe. Dies sprenge jedoch den Rahmen und die Möglichkeiten der Zusammenkunft, wie ihr Rudolf Vögele erklärte. Nichtsdestotrotz zeigte sich mehr als die Hälfte der Anwesenden dazu bereit, die Versammlung zu institutionalisieren und insbesondere an einer integrativen und konstruktiven Gesprächskultur weiter zu arbeiten, was Bischof Joseph Maria mit Freude zur Kenntnis genommen hat. Er ist der Überzeugung, dass eine Fortsetzung der Versammlung Potenzial habe. An der Tagung ist eindeutig zum Ausdruck gekommen, dass eine vertraute und verständliche Sprache in Liturgie und Pastoral, in der ganzen kirchlichen Kommunikation, die Menschen viel besser erreiche. Themen wie eine institutionalisierte Gesprächskultur, deren Umsetzung in allen Räten, die fortlaufende Weiterbildung und Professionalisierung, die Rolle des dualen Systems im synodalen Prozess, eine ehrlich gemeinte Versöhnung und ein Überwinden von Polarisierung hin zu einer angstfreien Kommunikation und einer Kultur des Vertrauens könnten hier und jetzt in Angriff genommen werden.

Papst Franziskus hat diesen Prozess des Dialoges angeregt. In seinem Auftrag begibt sich die römisch-katholische Kirche auf einen zweijähren Synodalen Prozess, um über Gemeinschaft, Dialog und Teilhabe in der katholischen Kirche sowie ihren Auftrag zu sprechen. Dass wir mit dieser ersten online-Umfrage und den drei Versammlungen am Anfang eines langen Weges stehen, ist nicht nur Bischof Joseph Maria, sondern auch allen interessierten Gläubigen in den letzten Wochen bewusst geworden. Vom neu entstehenden Jugendrat wünscht sich Bischof Joseph Maria indes, dass er mehr ist als ein weiterer Rat, mehr als ein neues Gremium, das sich regelmässig trifft und bespricht: „Der Jugendrat sollte mehr sein als ein neue, laute Stimme, welche Ansprüche stelle.“ Dafür gebe es schon genügend Stellen und Räte. „Was wir brauchen, um die Welt zu verändern, ist eine Gruppe, die als Katalysator wirkt. Es ist nötig, die Botschaft der Liebe Gottes ins Bistum zu tragen und jeden einzelnen damit zu erreichen.“ Denn wer Jesus Christus im Herzen trage, gebe die Liebe Gottes weiter, egal auf welcher Position, in welchem Rang und mit welcher Identität er durchs Leben gehe. Rudolf Vögele nahm aus der diözesanen Versammlung konkretere Rückmeldungen mit als aus der schriftlichen Befragung: „Ich interpretiere dies so, dass die Leute eher bereit sind, sich ‚vor Ort‘ zu engagieren als für einen Prozess, bei dem man nie so recht weiss, was er wo und wie (Weltkirche) letztendlich bewirkt.“ Das müsste seines Erachtens unbedingt für das Bistum und die Bistumsregionen genutzt werden, ist er der Überzeugung.

Die Erkenntnisse und Anliegen aus allen Versammlungen werden nun in einen Bericht des Bistums Chur zuhanden der Schweizerischen Bischofskonferenz zusammengefasst. Er fliesst in den Bericht der Schweizer Bischofskonferenz ein. Eine abschliessende Diskussion der Fragen findet im Oktober 2023 im Rahmen der Bischofsynode in Rom statt.

Bildlegende:
Bischof Joseph Maria Bonnemain hört, den jungen Erwachsenen an der synodalen Versammlung zu. Ihre Anliegen und Wünsche werden in den Bericht des Bistums Chur einfliessen.

Chur, 14. Februar 2022
Nicole Büchel, Kommunikation Bistum Chur