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Bistum Chur

Homilie von Bischof Bonnemain zu Ostern

Liebe Mitbrüder, liebe Schwestern und Brüder

Heute möchte ich mit dem letzten Wort beginnen, das wir soeben aus dem Evangelium gehört haben. Das Wort lautet: «müsse». Christus musste von den Toten auferstehen. Es ging nicht anders. Es war ein Muss. Warum? Weil er Gott ist, aber auch weil er absolut restlos, total, selbstlos ist, bez. unendlich frei von sich selbst. Ja, weil er die Liebe ist. Zu sagen, dass er die Liebe ist, dass er frei von jeglicher Selbstanhänglichkeit und Selbstbezogenheit ist, ist dasselbe, wie zu sagen, dass er Gott ist. Ein Mensch, der Gott ist, der keine Spur von Selbstzentriertheit aufweist, der nie für einen Augenblick egoistisch gedacht hat, der die Liebe ist, muss auferstehen. Der Tod hat keine Chance bei ihm. Der Tod war von Anfang an bei Christus besiegt, der Tod konnte in ihm keine Wurzel fassen. Bei ihm gab es keine Schwäche – mitten in den schwerwiegendsten Schwächen der Kreuzigung – an der sich der Tod hätte klammern können.

Die Apostel, die Jüngerinnen und Jünger hatten das noch nicht begriffen. Es kostete sie Mühe, das zu verstehen. Nur nach und nach liessen sie sich von der Auferstehung Christi überzeugen. Als sie allmählich begriffen, dass der Tote lebendiger war als alle Lebenden zusammen, entdeckten sie wieder die Freude – und zwar eine Freude, die widerstandsfähig war gegenüber allen Traurigkeitsangriffen. Diese grundsätzliche Wende wird von Papst Franziskus in seinem programmatischen Schreiben über die Freude am Evangelium prägnant beschrieben:

«Das Leben wird reicher, wenn man es hingibt; es verkümmert, wenn man sich isoliert und es sich bequem macht. In der Tat, die grösste Freude am Leben erfahren jene, die sich nicht um jeden Preis absichern, sondern sich vielmehr leidenschaftlich dazu gesandt wissen, anderen Leben zu geben. (…) Das Leben wird reifer und reicher, je mehr man es hingibt, um anderen Leben zu geben. Darin besteht letztendlich die Mission. (…) Die Welt von heute, die sowohl in Angst wie in Hoffnung auf der Suche ist, möge die Frohbotschaft nicht aus dem Munde trauriger und mutlos gemachter Verkünder hören, die keine Geduld haben und ängstlich sind, sondern von Dienern des Evangeliums, deren Leben voller Glut erstrahlt, die als erste die Freude Christi in sich aufgenommen haben» (EG 10).

Im Herrn Geliebte, Christus hat sein Leben total hingegeben und so ist sein Leben unendlich reicher geworden, unsterblich. So konnte er alle mit der Freude der Frohbotschaft anstecken, auch die Resistentesten. Heute, am Ostersonntag, erhalten wir jedes Jahr den Auftrag, diese Freude Christi aufzunehmen und auszustrahlen.

Wir haben gehört, wie der Apostel Paulus die Christengemeinde in Korinth davor warnt, etwas vom «alten Sauerteig» beizubehalten. Er benützt dieses Bild, um zu erklären, dass eine winzige Menge Sauerteig die ganze Masse durchsäuern, beeinflussen kann. Die Menschen der Auferstehung sollten es zustande bringen, aus dem neuen Ostersauerteig zu leben. Es wird hier von uns eine konsequente Haltung erwartet. Wenn wir leben und lieben möchten wie Christus, das heisst: mit dem Wunsch im Herzen über alles, was tot und dunkel ist, zu siegen, sollten wir uns von manchen Gewohnheiten, Schwächen, Gepflogenheiten trennen, welche wie totbringende Viren gegen das Leben in Christus wirken. Es sind Beleidigungen, die wir einander noch nachtragen, Leidenschaften und Begierden, die wir nicht bekämpfen, Egoismen, die wir nicht besiegen wollen, Bequemlichkeiten, auf die wir nicht verzichten möchten, verkehrte Neigungen, die wir nicht ablegen wollen. Möge Gott uns heute helfen, dem auferstandenen Herrn zu sagen, dass wir vom alten Sauerteig nichts mehr behalten wollen.

Ich komme nochmals auf das Schreiben des Papstes über die Freude am Evangelium zurück. Dort führt er aus: «Seine Auferstehung gehört nicht der Vergangenheit an; sie beinhaltet eine Lebenskraft, die die Welt durchdrungen hat. Wo alles tot zu sein scheint, spriessen wieder überall Anzeichen der Auferstehung hervor. Es ist eine unvergleichliche Kraft. Es ist wahr, dass es oft so scheint, als existiere Gott nicht: Wir sehen Ungerechtigkeit, Bosheit, Gleichgültigkeit und Grausamkeit, die nicht aufhören. Es ist aber auch gewiss, dass mitten in der Dunkelheit immer etwas Neues aufkeimt, das früher oder später Frucht bringt. Auf einem eingeebneten Feld erscheint wieder das Leben, hartnäckig und unbesiegbar. Es mag viel Dunkles geben, doch das Gute neigt dazu, immer wiederzukommen, aufzukeimen und sich auszubreiten. Jeden Tag wird in der Welt die Schönheit neu geboren, die durch die Stürme der Geschichte verwandelt wieder aufersteht. Die Werte tendieren dazu, immer wieder auf neue Weise zu erscheinen, und tatsächlich ist der Mensch oft aus dem, was unumkehrbar schien, zu neuem Leben erstanden. Das ist die Kraft der Auferstehung, und jeder Verkünder des Evangeliums ist ein Werkzeug dieser Dynamik» (EG 276).

Liebe Ostergemeinde, gehen wir auf die Strasse hinaus mit der Freude der Auferstehung im Herzen. Die Welt braucht mehr denn je diese Freude, diese echte, tiefe, überzeugende und ansteckende Freude. Amen