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Bistum Chur

Homilie von Bischof Bonnemain zur Priesterweihe von Agil Raju

Lieber Bischof Thomas Eusebius der Eparchie Parassala,
lieber Diakon Agil,
lieber Herr Generalvikar Lenz,
liebe Mitbrüder,
liebe Gläubige aus der Pfarrei Höchst,
liebe Schwestern und Brüder

Die Worte Jesu im heutigen Evangelium stellen uns vor eine grundsätzliche Alternative, nämlich: allein bleiben oder ein segensreiches, fruchtbares Leben für viele leben. Wenn ich jetzt für viele sage, kommen mir spontan die Worte der eucharistischen Wandlung in den Sinn. Wie wir wissen, heisst es in einigen Sprachen: «mein Blut, das für alle vergossen wird», in anderen, «mein Blut, das für viele vergossen wird» oder «für die Vielen» oder «pour la multitude», «pro multis». Im Grunde ist die Aussage ein und dasselbe. Gott wollte und will das Leben für alle hingeben. Er will, dass alle gerettet werden, dafür hat Christus sein Leben hingegeben, was in der Eucharistiefeier vergegenwärtigt wird. Jesus ist der Gott für alle, er ist unendlich weit davon entfernt, allein zu sein, er hat sich mit allen Menschen vereinigt. Er ist von Ewigkeit her vereint mit dem Vater und dem Heiligen Geist und deswegen können wir sagen, dass durch ihn und mit ihm und in ihm auch wir mit dem Vater und dem heiligen Geist vereinigt sind. Es bleibt ein Geheimnis – aber ich wage es zu sagen – wenn wir den gebrochenen Leib des Herrn in der Eucharistie empfangen, wenn wir das gekelterte Blut des Herrn trinken, empfangen wir auch den Vater und den Heiligen Geist, welcher Jesus für uns Menschen in die Welt bringt. Er bringt den Himmel zu uns. Die Eucharistie stellt den absoluten Sieg über das Alleinsein dar. Im Herrn Geliebte, darf ich hier heute fragen: Ist das christliche Leben – konsequent gelebt – nicht ein Einswerden mit dem ganzen Himmel und der ganzen Menschheit, mit der gesamten Erde, und der ganzen Schöpfung?

Lieber Agil, das Leben des Priesters ist ein eucharistisches Leben, nicht zuletzt durch dieses Bewusstsein, dass in der Nachfolge Christi das Leben des Priesters alles andere ist, als eine einsame Existenz. Der Priester sollte alles andere, als ein einsames und eigenartiges Wesen sein. Sein Leben ist eine Proexistenz, ein Leben für die vielen, wie das Leben Jesu. Wie sehr darfst du dich verbunden und getragen von den andern fühlen, wie sehr sollst du die Verantwortung spüren, verbunden mit den anderen zu sein und für sie zu leben. So betrachtet ist das priesterliche Leben sinn- und inhaltsvoll. Man könnte sagen: Was der Priester vollzieht, bedeutet die radikale Überwindung des Alleinseins der Menschen. Jesus ist zu uns gekommen, Mensch geworden, damit wir Menschen uns begleitet, geliebt, in einer Partnerschaft, Freundschaft, Geschwisterlichkeit mit Gott wissen dürfen.

Agil, du hast mir einmal erzählt: als du nach Europa kamst, hast du dich am Anfang sehr allein gefühlt. Du warst in Indien gewohnt, immer von Hunderten und Tausenden von Menschen umgeben zu sein. Dort sind in allen Bereichen des Alltags immer viele Menschen zusammen unterwegs. Hier in Europa ist es ein bisschen anders. Du bist aber ein sehr sozialer, empathischer, geschwisterlicher Mensch und hast bald dieses Gefühl des Alleinseins überwunden. Bewahre und fördere diese Eigenschaften. Sei dir sicher: Mit Christus für die Menschen auf Erden unterwegs zu sein, lässt uns von viel mehr Menschen begleitet sein, als es in ganz Indien Menschen gibt und führt uns dazu, viel mehr Menschen zu begleiten, als es Menschen in Indien gibt.

Die heutige Weihe hier im syro-malankarischen Ritus – eine absolute Premiere in der Churer Kathedrale – zeigt uns, wie weltumspannend unsere Kirche ist. Die katholische Kirche kennt viel mehr Riten als nur die Römische. Alle Sprachen, Kulturen, Hautfarben, Rassen, Traditionen haben Platz in unserer Kirche. Wie sehr ist sie Weltfamilie, multikulturell, universell, ja katholisch. Hier begleiten dich heute viele indische Priester, die irgendwie die vielen Seelsorgenden aus verschiedenen Ländern vertreten, die in unserem Bistum wirken. Das ist ein grosser Reichtum für uns. Die Kirche kennt keine Ausländer. Alles ist für uns Heimat und wir alle sind Heimat für alle. Ich kann nur einen grossen Dank allen Priestern aussprechen, die aus verschiedenen Ländern gekommen und bereit sind, hier in der Schweiz zu wirken. Ein spezieller Dank gilt natürlich dem Bischof, Eparch Thomas Eusebius, der bereit war, von weit her zu kommen, um diese Priesterweihe zu vollziehen.

Wenn wir von allein oder von begleitet sein sprechen, fügen sich hier die Worte des hl. Paulus an die Korinther wunderbar an. Wenn wir uns, auf uns allein gestellt, schwach fühlen, wissen wir, dass Gott unsere Stärke ist. Allein sind wir sehr begrenzt, hinfällig, ohnmächtig, oft hilflos. Wir spüren, wie Paulus, allerlei Versuchungen, aber der Herr, der uns nicht im Stich lässt, erklärt auch uns: «Meine Gnade genügt dir; denn die Kraft wird in der Schwachheit vollendet». Wir sind nicht allein, wir sind nie allein, weil der Herr uns begleitet, uns trägt, uns versteht und uns liebt. Mit ihm und durch ihn und in ihm sind wir gleichzeitig mit den anderen, durch die anderen und in den anderen. Auch die anderen sind unsere Stärke. Mit jenen, die Gott uns anvertraut hat, sind wir stark, die anderen sind auch Gegenwart des Herrn für uns; und wir sind Stärke für die anderen. So bleibt unser Leben ein hingegebenes Leben in der Geschwisterlichkeit, ein sehr gut begleitetes Leben. Wir alle sind uns unterwegs gegenseitig Stärke und Trost, Beispiel und Ansporn, Gabe und Aufgabe.

Lieber Agil, bleibe mitten im Volk Gottes, als Gottes Volk und für Gottes Volk unterwegs, entfalte immer weiter ein universelles, katholisches Herz, etwas, das wir uns heute auch für uns alle wünschen. Maria, unser aller himmlische Mutter, sei deine stete Begleiterin. Sie wird dich immer ermutigen, gleich ihrem Sohn, freudig das Leben für die Menschen hinzugeben. Amen

Chur, 20. April 2024

Joseph Maria Bonnemain,
Bischof von Chur