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Bistum Chur

Homilie von Bischof Joseph Maria an Ostern

“Schaffe uns neu durch deinen Geist,
damit auch wir auferstehen und im Licht des Lebens wandeln.”

 

Liebe Mitbrüder, liebe Schwestern und Brüder

So haben wir vorher gebetet: Ja, wir feiern Auferstehung, die Auferstehung unseres Herrn, welche zugleich unsere Auferstehung ist.

Die Auferstehung Jesu ist das Fest des Lebens. Dass das Leben alles durchdringt, dass das Leben sich durchsetzen kann, fällt uns schwer zu glauben. Wie es im heutigen Evangelium heisst: Die Jünger, konkret Petrus und Johannes «hatten noch nicht die Schrift verstanden, dass er von den Toten auferstehen müsse» (Joh 20, 9). Und wir haben immer noch Mühe, davon überzeugt zu sein, dass diese Auferstehung aktuell bleibt und auch die unsere ist. Wir bleiben oft bei den Nachrichten und Ereignissen des Todes stecken.

Wenn wir das Osterfest feiern würden im Sinne, dass wir ein Ereignis in Erinnerung rufen, das vor mehr als 2000 Jahren geschah, würde der lebende auferstandene Herr nicht mehr im Heute leben.

Ostern feiern, bedeutet viel mehr als andächtig, angetan, mit Bewunderung etwas, was in der Vergangenheit geschah, zu gedenken und dankbar in Erinnerung zu rufen. Ich sage es nochmals: Ostern ist das Fest des Lebens. Nur indem wir uns selber vom unzerstörbaren Leben Gottes durchdringen lassen, ist Ostern aktuell, gegenwärtig, reell, wirksam.

Wir haben in der Lesung gehört, wie, nach der Auferstehung Jesu, angefangen von den Aposteln, die Jüngerinnen und Jünger des Herrn weiter und immer weiter Zeugen des Auferstandenen geworden sind (vgl. Apg 10, 37-43). Sie haben Zeugnis gegeben von dem, was sie selber gesehen, erlebt, erfahren haben. Wenn sie aber nur Zeugen von etwas gewesen wären, was sie zwar beobachtet hätten, aber nicht bis zutiefst in ihr Leben hineingedrungen wäre, wären sie bloss Zeugen der Vergangenheit. Das Ganze wäre lediglich eine fromme Erinnerung. Die Auferstehung Jesu hat aber ihr Leben verwandelt. Sie wurden durch und durch wachgerüttelt. Ihr Leben hat sich mit dem unzerstörbaren Leben Jesu vereinigt. Sie sind selber wirklich Lebendige geworden. Nur so ist das Christentum aktuell. Nur so sind die Christen die Belebenden der Menschheit.

Im Herrn Geliebte! Fragen wir uns heute: Was bedeutet für uns, was bedeutet für dich, für mich, für uns alle das Osterfest? Glauben wir an das Leben, glauben wir, dass das Leben das letzte Wort hat? Nehmen wir das ernst, was wir im Tagesgebet gesagt haben? Nämlich, dass wir selber als Auferstandene im Licht des Lebens wandeln wollen? Gerne möchte ich einige Anregungen weitergeben, die ich einmal las:

Das Leben ist eine Chance, nimm sie wahr!

Das Leben ist Schönheit, bewundere sie!

Das Leben ist ein Traum, lass ihn Wirklichkeit werden!

Das Leben ist eine Herausforderung, nimm sie an!

Das Leben ist eine Pflicht, erfülle sie!

Das Leben ist ein Spiel, spiele es!

Das Leben ist kostbar, trag ihm Sorge!

Das Leben ist ein Reichtum, bewahre ihn!

Das Leben ist Liebe, gibt dich ihr hin!

Das Leben ist ein Geheimnis, entdecke es!

Das Leben ist eine Verheissung, lass sie in Erfüllung gehen!

Das Leben ist ein Lied, singe es!

Das Leben ist ein Kampf, kämpfe ihn!

Das Leben ist ein Abenteuer, bestehe es!

Das Leben ist das Leben, verteidige es!

Es sind wahrhaftig wunderbare Gedanken. Ich lade alle ein, in den kommenden Tagen der Osterzeit darüber nachzudenken. Es lohnt sich, das Leben für das Leben einzusetzen.

Christus ist der Lebendige, weil er aus dem Grab hinausgegangen ist. Christus ist der Gott, der stets aus sich hinausgeht zu den Menschen. Sein Leben ist das Leben für die anderen. Er ist für uns auferstanden. Weil er nicht in sich selbst geblieben ist, ist er der Auferstandene und hat das Leben mit sich zu den anderen gebracht.

Wir sind als Gläubige dazu berufen, aus uns zu den anderen hinauszugehen, zu allen, die von uns etwas erwarten, etwas brauchen, zu allen, die Licht, Trost, Beistand, Geborgenheit, Verständnis, Liebe brauchen. Wir müssen aus uns heraus gehen und allen die lebendige Gegenwart Jesu bringen, der reich an Erbarmen und Liebe ist. Wir – für uns selbst – sind ein Grab. Nur indem wir loslassen, hinausgehen, aufbrechen – den anderen entgegen – wird das Leben Leben. Es ist das grosse Abenteuer Gottes. Er hat alles verlassen für uns Menschen und so ist er wirklich der Auferstandene. Wagen wir, liebe Brüder und Schwestern, dieses Abenteuer des Lebens. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein gesegnetes Osterfest. Amen

Kathedrale Chur, 17. April 2022