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Bistum Chur

Predigt Bischofs Bonnemains zur Diakonweihe

Lieber Agil
Liebe Mitbrüder
Liebe Schwestern und Brüder

«Ich aber bin unter euch wie der, der bedient» (Lukas 22,27). Es ist eine Fügung, dass ausgerechnet heute, am Tag, an dem wir eine Diakonenweihe feiern, diese Aussage des Herrn im Evangelium des Gedenktages des hl. Papst Kallistus I. vorkommt. Gerne möchte ich bei dieser überraschenden Aussage des Herrn verweilen.

Jemand, der dient, der eine Dienstfunktion ausübt, passt sich den Kunden an, berücksichtigt ihre Erwartungen, Wünsche, Bedürfnisse. Ein Diener, ein Kundenbetreuer, ein Verkäufer bleibt empathisch und höflich, selbst wenn die Klienten und Kundinnen unangemessene Erwartungen oder Reaktionen zeigen. Eine wichtige Eigenschaft gegenüber Kunden ist die Geduld.

Ist es nicht erstaunlich, dass Jesus, der Sohn Gottes, dem der himmlische Vater das Reich des Himmels vermacht hat – wie es auch im heutigen Evangelium heisst – sich ausgerechnet als einer darstellt, der bedient? Ist es nicht verblüffend, dass der Sohn Gottes sich mit einem Diener vergleicht, identifiziert, dass er sich als den darstellt, der die Menschen und die Menschheit bedient? Es ist die schönste und tröstlichste, ja die wahrste und wichtigste Botschaft der christlichen Offenbarung Gottes.

Gott setzt sich nicht mit Druck, mit Zwang, mit Gewalt, mit Strafdrohungen, mit harten Gesetzen, mit unzähligen Verboten durch. Er setzt eine ganz andere Strategie ein, er bedient sich einer ganz anderen Art, nämlich: er stellt sich in den Dienst von uns Menschen, er ist nicht der Fordernde, sondern der Anbieter, er ist nicht ein Befehlshaber, sondern der, der bereit ist, den Menschen zu gehorchen. Ich wage sogar zu sagen, er lässt sich von uns Menschen befehlen und bestimmen.

Manchmal denken wir: um Gott zu besänftigen und ihn gut zu stimmen, ihn zufrieden zu stellen, um seine Gunst zu beschaffen, brauchen wir Opfergaben darzubringen, ihm gegenüber ehrerbietig zu sein, beharrlich zu beten, ihm manches zu versprechen. Nein, es ist ganz anders. Gott steht für uns da, offen, bereit, geduldig, anspruchslos, unabhängig von unseren Verdiensten, von unserer Treue, von unserer Gebetsbeharrlichkeit. Er hat sich für immer in Christus den Menschen ausgeliefert. In der Hostie verborgen, geht er den gewagtesten Schritt des sich Auslieferns an uns Menschen.

Wenn wir im Evangelium hören: «Bittet, dann wird euch gegeben; sucht, dann werdet ihr finden; klopft an, dann wird euch geöffnet» (Matthäus 7,7), sollten wird nicht nur eine Anregung für unsere Art des Betens sehen, sondern viel mehr eine Offenbarung des Herzens Gottes entdecken. Gott ist nämlich der, der wie ein Bettler vor der Tür unseres Herzens um Aufnahme bittet. Gott ist der, der rastlos auf die Suche des Menschen geht. Gott ist der, der demütig und anspruchslos an unsere Tür klopft, der Platz in unserem Leben und uns um ein wenig Zeit bittet.

Lieber Agil, in den nächsten Monaten als Diakon unserer Kirche und später als Priester, solltest du nichts anders verkünden, als diese Wahrheit Gottes. Gott ist der, der bedingungslos auf der Seite des Menschen steht; der, der seine Liebe ohne Rechnung zu stellen, anbietet; der uns selbst gegenüber unserer Lieblosigkeit liebt. Gott ist kein Kontrolleur, kein Herrscher und kein Richter. Wie Jesus sagte: er ist nicht gekommen um uns zu richten, sondern um uns zu retten. Er lässt seine Liebe über Bösen und Guten aufgehen. Er hat die Welt nicht aufgegeben. Wir hören tagtäglich schreckliche Nachrichten. In der Welt geschieht vieles, was schlecht, verkehrt, böse ist. Wir dürfen uns aber nicht entmutigen lassen, weil Gott sich von all dem nicht entmutigen lässt. Er bietet uns Menschen sein Heil und seine Liebe an und diese werden sich schliesslich durchsetzen gegen alles, was nicht Liebe ist.

Der hl. Petrus schreibt – wie wir in der Lesung hörten – «Sorgt als Hirten für die euch anvertraute Herde Gottes, nicht aus Zwang, sondern freiwillig, wie Gott es will; auch nicht aus Gewinnsucht, sondern aus Neigung; seid nicht Beherrscher eurer Gemeinden, sondern Vorbilder für die Herde!» (1 Petrus 5,2-3). Ja, du, lieber Agil, und wir alle als Christinnen und Christen, sollten nicht nur mit Worten von der Anspruchslosigkeit Gottes uns Menschen gegenüber sprechen, sondern mit unserem Verhalten, mit unserem Benehmen, mit unseren Taten. Gott braucht mehr denn je – damit er auf Erden glaubwürdig bleibt – Menschen, gläubige Menschen, die durch und durch Diakone sind und diakonisch wirken. Menschen, die anspruchslos bleiben, anpassungsfähig, dienstbereit, empathisch, die seine Liebe und Geduld den Menschen gegenüber nie künden.

In der Liturgie – nach der Wandlung – wo es heisst: das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird, das ist mein Blut, das für alle vergossen wird (vgl. Lukas 22,19-20), verkündet der Diakon: Geheimnis des Glaubens. Dies ist wahrhaft das Geheimnis des Glaubens, welches der Diakon, welches wir alle in der Welt verkünden müssen. Gott gibt sich restlos den Menschen hin, bedingungslos, ohne Vorbehalte, ohne Auflagen, anspruchslos. Er ist ein Gott, der sich den Menschen ausgeliefert hat, zugänglich geworden ist, klein, der mit uns auf Erden unterwegs ist, damit wir ihm auf Augenhöhe begegnen können. Das ist wahrhaft das grosse Geheimnis des Glaubens.

Das grosse Geheimnis des Glaubens ist es, dass Gott nicht in Kategorien, in Klassen, in Hierarchien denkt. Grosse und Kleine sind auf derselben Höhe, Führende und Dienende kennen keine Unterschiede. Im Himmelreich werden alle – wie es heute im Evangelium auch heisst – am Tische des Herrn sitzen. Wir werden alle auf dem Thron Gottes Platz haben. Der wahre Himmel, das Reich Gottes, die Kirche unseres Herrn, die katholische Kirche sind eine durch und durch geschwisterliche Gemeinschaft. Im Herzen Gottes sind alle gleich geliebt. Im Herzen Gottes werden wir für immer geliebt. Amen.