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Bistum Chur

Predigt von Bischof Bonnemain zum Friedenstag in Sachseln

Liebe Mitbrüder,
Liebe Schwestern und Brüder
Liebe Wallfahrende für den Frieden

Ich danke Ihnen ganz herzlich, dass Sie meinem Ruf, nach Sachseln zu wallfahren, um bei unserem Bruder Klaus um Frieden für die vom Krieg Geplagten zu beten, gefolgt sind. Ich bin ganz bewegt, froh und dankbar für Ihre Anwesenheit.

Wir sind heute hier, um Samenkörner des Friedens zu säen. Die Worte des Herrn, die wir gerade gehört haben, sind dafür wegweisend: «Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht.»

Nur die Hingabe bringt Früchte des Heils. Nur die Grossherzigkeit ist Quelle echter Fruchtbarkeit. Jesus bringt nicht irgendeine Theorie zur Sprache, sondern erzählt aus seinem Leben. Die Hingabe seines Lebens wurde zum fruchtbaren Boden für das Heil der ganzen Menschheit. Er liess sich begraben, damit aus seinem Grab das Leben, der Friede und die Liebe für alle auferstehen konnten. Ich sage es direkt: Es ist nie zu spät! Friede kann in der Welt jederzeit entstehen. Friede kann immer walten. Wir Menschen können immer in Frieden leben. Nichts ist unmöglich! Das ist so, weil Jesus, als hingegebene Liebe, für uns Menschen vor dem göttlichen Vater eintritt, bis zum Ende der Zeiten und in alle Ewigkeit. Er ist der Fürst des Friedens, er schenkt uns allen und allen Menschen seinen Frieden. Friede ist der Gruss des Auferstandenen. Auferstehung ist aber nur möglich, wenn das Weizenkorn in die Erde fällt und stirbt.

Liebe Schwestern und Brüder, wir sind hier, damit diese Zeit, die wir hier verbringen – damit diese Zeit, die wir dem Herrn schenken, sozusagen in die Erde fällt und gesät wird, damit daraus der Baum des Friedens wachsen kann. War das nicht das Geheimnis des Lebens von Bruder Klaus in der Klause in Ranft? Er hat bewusst und in grösster Freiheit, nach Gottes Eingebung und aus reiner Liebe, sein Leben in die Erde im Ranft begraben, damit Früchte des Heils, des Lebens und des Friedens wachsen konnten. Was für ein mächtiger und prächtiger Baum des Friedens ist durch seine scheinbare Abgeschiedenheit gewachsen. Ein Baum, der bis heute Früchte trägt.

 

Was wir heute tun, ist zwar viel bescheidener im Vergleich zur Lebenshingabe von Bruder Klaus, dennoch – wenn wir unsere heutige Wallfahrt mit derselben Lauterkeit und Gesinnung, mit derselben Liebe und Gottverbundenheit wie Bruder Klaus wahrnehmen – werden wir bestimmt zustande bringen, dass ein Baum des Friedens gerade dort, wo Menschen gegenwärtig furchtbar und grausam Terror und Krieg erleben, zu wachsen beginnt. Es mögen nur zwei Stunden sein, kleine Samenkörner, aber diese Zeit des Gebetes kann vieles in Gang bringen, kann vieles bewirken. Wir können nicht erwarten, dass durch unsere heutige Anwesenheit nullkommaplötzlich alle Panzer stehen bleiben, keine Bomben mehr fallen, die Waffen schweigen und alle Kriegsparteien in Dialog treten und Friedensverhandlungen aufnehmen. Wir können kein Wunder erzwingen. Aber wir können Samenkörner schenken und pflanzen, kleine Schritte in die richtige Richtung tun, den ersten Schritt machen und aufeinander zugehen.

Bestimmt kennen viele diese Geschichte:

«Ein junger Mann betrat im Traum einen Laden. Hinter der Theke stand ein Engel. Hastig fragt er ihn: ‹Was verkaufen Sie, mein Herr?› Der Engel antwortete freundlich: ‹Alles, was Sie wollen.› Der junge Mann begann aufzuzählen: ‹Dann hätte ich gern das Ende aller Kriege in der Welt, bessere Bedingungen für die Randgruppen der Gesellschaft, Beseitigung der Elendsviertel in Lateinamerika, Arbeit für die Arbeitslosen, mehr Gemeinschaft und Liebe in der Kirche
und … und …›
Da fiel ihm der Engel ins Wort: ‹Entschuldigen Sie, junger Mann, Sie haben mich falsch verstanden. Wir verkaufen keine Früchte, wir verkaufen nur den Samen.›»

 

Liebe Brüder, liebe Schwestern, sind wir bereit, Tag für Tag – nicht nur heute – regelmässig, bescheiden, aber konstant kleine Samenkörner des Friedens zu säen, überall dort, wo wir sind und wirken? Lassen wir es uns etwas kosten? Frieden hat immer seinen Preis, sonst haben die Samenkörner keine Qualität, sind künstlich und unfruchtbar.

Lasst uns die anderen Worte des Herrn im heutigen Evangelium betrachten: «Und ich, wenn ich über die Erde erhöht bin, werde alle zu mir ziehen». Johannes fügt hinzu: «das sagte er, um anzudeuten, auf welche Weise er sterben werde». Wahre Frucht wird in der Hingabe der Liebe geboren. Nur das Kreuz ist die Quelle des Lebens. Nur im Gekreuzigten, mit ihm und durch ihn kommen wir uns näher, nähern sich die Verfeindeten und versöhnen sich allmählich. Es gibt keine Liebe ohne Opfer, es gibt kein Heil ohne Leid, es gibt keinen Frieden ohne Liebe. Der Friede beginnt in den Herzen. Wir haben aus dem Buch des Propheten Jeremia gehört, dass der neue Bund Gottes durch die Weisungen entsteht, die Gott in unser Herz schreibt. Für den Frieden brauchen wir unsere Herzen. Nährboden des Friedens ist die Kreuzeshingabe. Wieviel sind wir bereit, für den Frieden zu investieren?

Ich sage es nochmals: Es geht nicht um auffällige Taten oder grosse Auftritte. Alles, was gross daherkommt, ist eitel; das Echte beginnt klein, wird aber durch die Liebe in Grosses verwandelt.  Wenn wir – ganz konkret – in unserem Alltag unsere Launen, die Trägheit, die Faulheit, den Egoismus, den Stolz, die Eitelkeit, den Neid und so vieles mehr begraben, beseitigen, sterben lassen, werden wir sehen, dass der Baum des Friedens neben uns zu wachsen beginnt. Seine Äste breiten sich so weit aus, dass die vom Krieg Geplagten darunter einen Ort des Friedens finden können. Was wir heute tun, ist für die ganze Welt heilsam, kann echt und reell für den Frieden in der Welt wirken.

Bruder Klaus war und ist ein durch und durch marianischer Heiliger. Maria ist Teil des Geheimnisses der Lebenshingabe von Bruder Klaus für den Frieden. Sie – unsere himmlische Mutter – hat den Fürsten des Friedens geboren und bleibt immer Mutter des Friedens. Deswegen wollen wir, zusammen mit Bruder Klaus und Dorothea, ihr unser Gebet für den Frieden anvertrauen. Für Frieden dort, wo die Menschen ihn gegenwärtig so dringend brauchen. Ich denke besonders an Palästina und Israel und an die Ukraine, aber auch an unser Land, das eine neue Dimension von Rassismus und Antisemitismus erlebt. Königin des Friedens, bitte für uns. Heiliger Bruder Klaus und Dorothea, bittet für uns.

 

Sachseln, 17. März 2024

Joseph Maria Bonnemain,
Bischof von Chur