Lieber Andreas, Matthias, Michael und Walter
Liebe Ehefrauen, Angehörige, Freunde, Kolleginnen
und Kollegen der Weihekandidaten
Liebe Mitbrüder
Liebe Schwestern und Brüder
Gestützt auf die heutigen Bibeltexte könnten wir uns fragen: Wer weckt wen?
Wie wir hörten, wurde der junge Samuel viermal von Gott geweckt, bis er verstanden hatte, dass er von Gott berufen wurde. Ich glaube nicht, dass unsere heutigen vier Weihekandidaten einen so tiefen Schlaf hatten, dass sie den Ruf Gottes bis heute nicht hörten. Sie – wir alle – wissen sich seit der Taufe von Gott berufen, in der Welt Zeugen der göttlichen Heils- und Frohbotschaft zu sein. Unser Gott setzt sich ein, ruft uns an, nicht primär aber, damit wir ihm sagen: «Hier bin ich, dein Diener hört», sondern, um uns Menschen zu sagen: Mensch, hier bin ich, ich, Gott, will dir dienen, ich höre gut zu, vertraue du mir alle deine Träume, Wünsche, Sorgen, Anliegen und Freuden an: da bin ich für dich.
Ich liebe dich.
Wie ich bereits sagte, haben unsere vier Männer seit längerer Zeit ihre christliche Berufung ernst genommen und sind seit langem als Seelsorger in den eigenen Pfarreien 100-prozentig engagiert. Die heutige Diakonenweihe bedeutet jedoch eine neue prägende und endgültige Bekräftigung ihrer Bereitschaft. Es handelt sich um eine spezifische Bekräftigung der Verfügbarkeit in der Nachfolge Christi. Unser Erlöser sagte, dass er nicht gekommen ist, um sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen.
Ab jetzt wird dies euer konkreter Lebensauftrag sein, liebe Diakone: Gott auf Erden Stimme und Hände zu leihen, um den Menschen sagen zu können: Höre Mensch, Gott, dein Diener, hört dich. Er ist da für dich. Ein Diakon stellt die Gegenwart dieses Gottes, der den Menschen zur Seite, zur Verfügung stehen möchte, besonders sichtbar dar.
Die Menschen haben manchmal den Eindruck, von Gott im Stich gelassen zu sein. Wo ist mein Gott? Hat er die Welt ihrem eigenen Schicksal überlassen? Warum interveniert er nicht? Wenn wir die Kriege, die Hungersnöte, die Profitgier, die Gleichgültigkeit gegenüber Flüchtlingen, die Ausbeutung der Schöpfung, den Klimawandel, die Kindersterblichkeit an vielen Orten der Welt sehen, fragen wir uns, warum Gott sich nicht mehr als Gott zeigt. Wir alle – die Diener Gottes und der Menschen in der Kirche in besonderer Weise – sollten die Aufgabe wahrnehmen, Gott anzurufen, zu bitten und zu klagen. Sie sind dazu bestimmt, geweiht und berufen, die Gegenwart Gottes in unserer Welt mit all den Nöten der Menschen wachzurufen, ja als Vermittler zwischen Gott und den Menschen zu wirken. Anders gesagt: der dauernde Ausruf des Diakons sollte sein: «Meister, kümmert es dich nicht, dass wir zugrunde gehen?» Diese Stimme darf sich aber nicht nur für die eigenen lokalen Bedürfnisse erheben, für die persönlichen Probleme, vorwiegend mit sich selbst beschäftigt. Sehr treffend sagte Papst Franziskus kürzlich in einer Mittwochsaudienz: «Es kann jedoch passieren, dass der apostolische Eifer, der Wunsch, die anderen mit der frohen Botschaft des Evangeliums zu erreichen, abnimmt, lau wird. Manchmal scheint er sich zu verdunkeln, es sind verschlossene Christen, die nicht an die anderen denken. Wenn das christliche Leben jedoch den Horizont der Evangelisierung, den Horizont der Verkündigung aus den Augen verliert, dann wird es krank: Es verschliesst sich in sich selbst, wird selbstbezogen, verkümmert. Ohne apostolischen Eifer verwelkt der Glaube. Die Mission ist dagegen der Sauerstoff des christlichen Lebens: Sie belebt und reinigt es».
Wir sollten alle, im Herrn Geliebte, die Schmerzen und Wunden der ganzen Menschheit vor Augen haben und im Herzen tragen. Damals – wie wir hörten – war Jesus mit den Jüngern unterwegs in einem Boot und es heisst, «andere Boote begleiteten ihn». Als der Herr den Sturm besänftigte und auf dem See wieder völlige Stille eintrat, war es klar, dass nicht nur das Boot Jesu’ von der Gefahr, zu versinken, gerettet wurde, sondern alle anderen begleitenden Boote wurden auch vor dem Sturm gerettet. Wir dürfen Gott drängen, ihm befehlen, dass er den Menschen dient. Wir sollten dies eben mit einem gutmütigen Herzen, mit einer grossen Liebe zu Gunsten aller Menschen tun.
Nun, die Frage ist: Wie müssen wir schreien, damit der Herr uns hört und sich unser erbarmt? Mit welchen Worten, in welchem Tonfall, mit welchen Argumenten? Es gibt nur eine Stimme, mit der Gott sich wachrufen lässt, von der er sich überzeugen lässt. Es gibt nur einen Ton, der in das Ohr Gottes dringt. Es gibt nur ein Argument, das Gott erobert: Die Stimme, der Ton, das Argument der Liebe von der heute Apostel Paulus in seinem Brief spricht.
Liebe Michael, Matthias, Walter und Andreas, seid für immer und immer liebende Diener, dienende Liebende!
Eure Berufung und euer Dienst wären nicht möglich ohne die Bereitschaft und Grossherzigkeit eurer Ehefrauen und Familien. Aus diesem Grund ist es mir ein Bedürfnis, ihnen besonders zu danken. Sie werden die ersten sein, die erfahren, ob die heutige Weihe euch die Stimme der Liebe übertragen hat. Euer Dienst muss zu Hause, in der Familie beginnen und von diesem Boot aus, die weite Welt erreichen. Sie sollten ab heute spüren können, dass in euch die göttliche Liebe einen qualitativen Sprung gemacht hat. Aber auch eure Wohnquartiere, die Nachbarschaft, die Pfarreien in denen ihr wirkt, eure Verwandten, Freunde, Kolleginnen und Kollegen, sollten wirklich spüren, dass ihr Diakone geworden seid. Dies kann nur durch die Stimme der Liebe geschehen. So werdet ihr unser Bistum verändern. Ihr werdet durch euer Wirken die diakonale Wende unserer Diözese voranbringen.
Was ich heute uns allen wünsche – und vor allem unseren neuen Diakonen – ist nur eines: dass wir Botschafterinnen und Botschafter der dienenden Liebe Gottes für die Menschen werden. Amen.
Bischof Joseph Maria Bonnemain
Zollikerberg, 4. Februar 2023
Foto zVg
Zu Ständigen Diakonen geweiht wurden:
- Walter Arnold, Seelsorgeraum Altdorf;
- Andreas Bolkart, St. Burkhard in Mettmenstetten;
- Michael Kolditz, Christkönig in Kloten;
- Matthias Merdan, Seelsorgeraum Zollikon, Zollikerberg-Zumikon.