Brüder und Schwestern im Herrn
Kampf, Wachsamkeit und Unterscheidung! Das tönt ganz kriegerisch. Ist es aber nicht. Denn die Worte stammen aus dem jüngsten Apostolischen Schreiben Gaudete et exultate von Papst Franziskus über den Ruf zur Heiligkeit in der Welt von heute. Papst Franziskus ist alles andere als ein Befürworter von Krieg und Gewalt. Deshalb müssen wir die Worte Kampf, Wachsamkeit und Unterscheidung richtig einordnen.
Was meint der Heilige Vater mit Kampf? Um das zu erfahren, müssen wir das fünfte Kapitel des Apostolischen Schreibens lesen. Gleich zu beginn lesen wir: „Das Leben des Christen ist ein ständiger Kampf. Es bedarf Kraft und Mut, um den Versuchungen des Teufels zu widerstehen und das Evangelium zu verkünden“ (158). Mit Kampf meint der Heilige Vater den Widerstand gegen den Teufel. Einige Zeilen später bekräftigt er nämlich: „Es ist auch ein beständiger Kampf gegen den Teufel, welcher der Fürst des Bösen ist“ (159). Nochmals einige Zeilen später lesen wir: „Als Jesus uns das Vaterunser lehrte, wollte er tatsächlich, dass wir am Ende den Vater bitten, er möge uns von dem Bösen erlösen. Der dort benutzte Ausdruck bezieht sich nicht auf etwas Böses im abstrakten Sinn, sondern lässt sich genauer mit ‘der Böse’ übersetzen. Er weist auf ein personales Wesen hin, das uns bedrängt. Jesus lehrt uns, täglich um diese Befreiung zu bitten, damit die Macht Satans uns nicht beherrsche“ (160). Und, darf ich nochmals den Papst zitieren. Deutlich sagt er: „Wir sollen also nicht denken, dass dies ein Mythos, ein Schauspiel, ein Symbol, ein Bild oder eine Idee ist“ (161). Mit anderen Worten sagt der Heilige Vater, dass Satan existiert und sein Unwesen in unserer Welt treibt. Der Kampf, von welchem der Papst spricht, ist daher ein Kampf gegen Satan und seine Anhänger.
Nun werdet Ihr fragen: Ist das ein Thema für Pfingsten? Sehr wohl ist dies ein Thema für Pfingsten. Denn im Kampf mit dem Satan brauchen wir das Gegengewicht. Da Satan nicht ein körperliches Wesen ist, sondern ein geistiges, brauchen wir im Kampf gegen Satan ein geistiges Gegengewicht. Nochmals zum Wort des Papstes zum Vaterunser: „Als Jesus uns das Vaterunser lehrte, wollte er tatsächlich, dass wir am Ende den Vater bitten, er möge uns von dem Bösen erlösen“. Der Papst macht uns eigens auf diese letzte Bitte des Gebetes unseres Herrn aufmerksam. Wir dürfen sagen, an Pfingsten hat sich diese Bitte erfüllt, genauer ausgedrückt, sie hat sich in einem besonderen Maß erfüllt: Das Kommen des Heiligen Geistes am Tag von Pfingsten bedeutet in besonderer Weise die Erlösung vom Bösen, die Erlösung von Satan. Denn die Kirche hat den Geist der Wahrheit empfangen, wie es Jesus im heutigen Evangelium verheißen hat: „Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht tragen. Wann aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in der ganze Wahrheit leiten“ (Joh 16,12-13).
Die Wahrheit ist das Gegenteil des Bösen, des Verderblichen, der Lüge. Deshalb macht sie uns frei (vgl. Joh 8,32). Sie befreit uns. Sie erlöst uns. Denn Wahrheit ist an und für sich ein anderer Begriff für die Wirklichkeit Gottes, für alles, was Gott ist und was Gott tut. In Gott und durch Gottes Wirken sind wir frei. Durch den Geist der Wahrheit sind wir frei, befreit, oder werden wir frei, sofern wir die Wahrheit zur Grundlage unseres Lebens nehmen.
Ist Ostern der Anfang unserer Erlösung und unserer Freiheit, die sich vor allem im auferstandenen Herrn erweisen, so ist Pfingsten deren Vollendung in der von Gott neu geschaffenen Menschheit, im Volk Gottes, in der Kirche. Aber es ist noch eine Erlösung und eine Freiheit unter dem Banner des Kampfes, der Wachsamkeit und der Unterscheidung. Deshalb dürfen wir die Hände nicht in den Schoß legen und nachlässig werden (vgl. Gaudete et exultate 161). Das bedeutet: Wir müssen uns immer wieder in den Schutz des Heiligen Geistes begeben und unser Leben unter diesem Schutz gestalten, im Schutz des Geistes der Wahrheit, im Schutz seiner Liebe und seiner Lehre. Beten wir daher mit der Pfingstsequenz häufig: O lux beatissima, reple cordis intima tuorum fidelium. Sine tuo numine nihil est in homine, nihil est innoxium. – Komm, o du glückselig Licht, fülle Herz und Angesicht, dring bis auf der Seele Grund. Ohne dein lebendig Wehn kann im Menschen nichts bestehn , kann nichts heil sein noch gesund. Amen.