Bischof Joseph Maria Bonnemain war als Gast im Seelsorgekapitel Zürich-Glarus und predigte im gemeinsamen Gottesdienst.
Liebe Seelsorgende des Bistums Chur in Zürich und Glarus
Wir sind heute hier nicht nur und nicht einmal primär aufgrund eines gemeinsamen Glaubensinhaltes zur Eucharistiefeier versammelt. Wir sind vor allem aufgrund einer gemeinsamen Beziehung hier: Jede und jeder von uns möchte Gott lieben, mit ihm eine persönliche Liebesbeziehung pflegen. Diese Beziehung kann jedoch nicht individualistisch gelebt werden, sondern nur in der Gemeinschaft. So betrachtet wäre diese Liebessuche ohne eine starke und treue Liebe zu den Mitmenschen keine christozentrische, keine soteriologische. Die Gottesbeziehung ihrerseits aber ist wiederum Grundlage und Ansporn für unsere gemeinsame Sendung. Wir können mit dem hl. Paulus die Zuversicht haben „dass denen, die Gott lieben, alles zum Guten gereicht“.
Eigentlich könnte ich bereits hier aufhören. Mein erstes Anliegen heute besteht nämlich darin, diese Glaubens- und Liebeszuversicht zu betonen. Machen wir uns keine Sorgen, weder im Bereich des Generalvikariates Zürich-Glarus noch in der Diözese noch auf der Ebene der Katholischen Gesamtkirche oder der Welt überhaupt: Solange es Liebende gibt, wird schliesslich alles zum Guten gereichen.
Unsere Liebe zu Gott hat spezifische Züge: Sie hat wesentlich mit der Geburt Jesu in Bethlehem zu tun, und deswegen indirekt mit der Geburt seiner Mutter, die wir heute (liturgisch) feiern. Christus vivit! Christus lebt! Gestern, heute und in Ewigkeit! Er ist unsere Liebe, er ist die Liebe, die uns verbindet, die Liebe, welche die Welt erlöst.
Der Glaube an Jesus Christus, unsere Verbundenheit mit ihm und unsere Liebe zu ihm bilden die Grundlage unserer christlichen Existenz und unseres christlichen Wirkens. In ihm und durch ihn und mit ihm konkretisiert sich unsere Liebe zu Gott, und zwar weil er „Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater [ist]; durch ihn ist alles geschaffen. Für uns Menschen und zu unserem Heil ist er vom Himmel gekommen, hat Fleisch angenommen durch den Heiligen Geist, von der Jungfrau Maria, und ist Mensch geworden“. Erlaubt mir, dass ich heute diesen zentralen Glaubensinhalt anspreche. Dass Jesus durch den Heiligen Geist – ohne Einwirkung eines Mannes – gezeugt wurde, ist keine Nebensächlichkeit. Daran halten wir fest, weil wir nur so davon ausgehen können, dass sich Gott mit unserem Schicksal und unserer Geschichte restlos identifiziert hat. Und nur so können wir schliesslich die Zuversicht haben, dass alles zum Guten gereichen kann.
Die Liebesbeziehung zu Gott und zum Menschen ist meiner Ansicht nach die Quelle für die Thematik der kommenden Synode und für ihre drei Grundbegriffe: communio, Partizipation, Mission. Deswegen möchte ich heute die synodale Entwicklung der Kirche als gemeinsames Projekt der kommenden Jahre in unserem Bistum – zusammen mit der ganzen Universalkirche – noch etwas kommentieren.
Gott wollte nicht im Alleingang in die Welt kommen, sondern in der Mitte einer Familie. Die Umstände in dieser Familie waren zwar besondere, jedenfalls aber war Jesus von Anfang an in der communio einer Familie beheimatet. Auch später war er in einer evangelisierenden Gemeinschaft unterwegs, mitten im Volk, aus dem Volk und für das Volk. Gott ist Familie, und der Schritt Gottes, der schliesslich alles zum Guten gereichen lässt, begann mit dem Eintauchen in die communio einer Familie.
In dieser Familie, im erlösenden Wirken des Herrn, spielte jeder und jede eine persönliche, aktive Rolle. Wir haben es mit einem durchaus partizipativen Ereignis zu tun. Alle Beteiligten sollten sich aufgrund des Wirkens des Heiligen Geistes aktiv dafür entscheiden. Maria wurde gefragt, Josef wurde gefragt und Jesus war bereit, den ewigen, trinitarischen Ratschluss umzusetzen. Nun, der Ursprung, die Urquelle der Kirche, erfordert eine geschwisterliche, synodale und partizipative Kirche. Wir müssen – dürfen – uns daran machen. Und dies im Geist von Maria und Josef. Ihr aktives Mitwirken und und die Entscheidung Gottes im Augenblick der Menschwerdung sind frei von Selbstzentriertheit; sie kennen keinen Eigennutz und verfolgen keinen Selbstzweck. Der Gott-mit-uns ist der Gott-für-uns, der Gott für die Menschheit, für ihr Heil – damit alle gerettet werden. Er will „sein Volk von seinen Sünden erlösen“.
Ohne das Bewusstsein dieser Mission wären communio und Partizipation unfruchtbar.
Wir wollen eine synodale Kirche weiterentwickeln, weil wir von uns selbst wegkommen und alle erreichen wollen, gerade jene, die mit Worten des Propheten Jesaja „in der Finsternis gehen“ (vgl. Jes 9,1). Wir müssen unsere Pfarreien und alle seelsorgerlichen Einrichtungen in Bewegung setzen, damit die Ränder erreicht werden, die Peripherie: das heisst all jene, die zu wenig berücksichtigt, integriert, geschätzt und geliebt werden. Setzen wir alles daran, diese Mission umzusetzen, damit unsere Kirche in diesem Sinne vermehrt eine liebende Kirche wird. Amen.