Navi Button
Bistum Chur

Predigt von Bischof Peter Bürcher beim Pontifikalamt anlässlich des «Advents-Treffens» des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem (OESSH), Komturei Churrätien, am 30. November 2019 in der Kathedrale in Chur

«Möge der Apostel Andreas, dessen Fest wir heute feiern, für Sie alle ein Vorbild für die Nachfolge Christi und ein mutiges evangelisches Zeugnis sein!»

Mit diesen Worten von Papst Franziskus bei einem Andreasfest begrüsse ich Sie heute alle, die Damen und Ritter des Ordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem, Komturei Rhätien ganz herzlich hier in unserer Churer Kathedrale! Das heutige Pontifikalamt gehört erfreulicherweise zum diesjährigen «Advents-Treffen» der Komturei Churrätien des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem.

Wer ist eigentlich der Hl. Andreas, den wir heute mit der ganzen Kirche feiern dürfen? Das heutige Evangelium sagt uns: «Als Jesus am See von Galiläa entlangging, sah er zwei Brüder: Petrus und Andreas. Er sagte zu ihnen: Kommt her, folgt mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen» (Vgl. Mt 4, 18-19). Ja, es freut mich, gerade vor Ihnen, den sehr geehrten Damen und Rittern vom Heiligen Grab zu Jerusalem, sagen zu können, dass die Brüder Andreas und Petrus Fischer am See von Tiberias waren und beide aus Bethsaida in Galiläa stammten. Andreas war zuerst Jünger Johannes‘ des Täufers, trat dann, als er das Zeugnis des Täufers über Jesus, „das Lamm Gottes“, hörte, in dessen Gefolgschaft (Joh 1,35-40), und er gehörte zur Gruppe der Zwölf. Er kam, um Petrus zu sagen, dass er den Messias gefunden hatte, und führte seinen Bruder zu Christus. Andreas trat bei der Speisung der Fünftausend hervor (Joh 6,8-9), und an ihn wandten sich die Griechen, die nach dem Einzug in Jerusalem mit Jesus sprechen wollten (Joh 12,23). Er ist der Schutzheilige der Kirche von Konstantinopel, die seine Reliquien seit dem 4. Jahrhundert aufbewahrt hat. Er erlitt in Patras in Achaia den Martertod am Kreuz, in der Nachfolge des Gekreuzigten. Im 15. Jahrhundert wurde der Römischen Kirche eine Reliquie anvertraut, die in der Kirche Sant’Andrea della Valle aufbewahrt wurde, bis Papst Paul VI. beschloss, sie der Kirche von Konstantinopel zu übergeben, als Zeichen der ökumenischen Brüderlichkeit, im Jahr 1966.

Meine Lieben, da stehen wir als Ritter vom Heiligen Grab zu Jerusalem mit dem Hl. Apostel Andreas in sehr enger Verbindung. Ist er nicht wie Jesus, Maria und Josef Galiläer, ein Bewohner des Heiligen Landes? Ich persönlich verehre ihn gerne als den Bruder meines Namenspatrons sowie als den Protoklitos, den Erstberufenen. Damit möchte ich heute hier nur zwei wichtige Elemente beleuchten: die Liebe und das Zeugnis.

Die Liebe, die Caritas, ist eine der drei Standbeine, auf denen der Ritterorden ruht. Von der finanziellen Seite her gesehen, unterstützen mit Millionenbeträgen rund 30’000 Katholiken in mehr als 30 Ländern karitative Einrichtungen der Kirche in Israel, Palästina und Jordanien. Darauf ist der Hl. Andreas sicher auch stolz! Er ist sicher auch froh für sein Land! «Hier ist ein kleiner Junge, der hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische, sagte er; doch was ist das für so viele?». Und die Brotvermehrung geschah! Mutatis mutandis kann das auch heute noch geschehen, wenn wir glaubwürdig, ritterlich und demütig die Nächstenliebe üben. Neben dieser materiellen ist die besonders heute von den Frauen liebevoll bezeugte spirituelle Dimension von sehr grosser Wichtigkeit. Meine Lieben, hat da die Schweiz nicht ein leuchtendes Beispiel gegeben, indem die erste Frau in Europa hier als Statthalterin des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem in ihr Amt eingesetzt wurde? «Obwohl wir eine katholische Institution sind, sagte unsere Statthalterin, können Frauen bei uns Kaderpositionen übernehmen!». Und so ist es, und so sollte es in ähnlichen Bereichen noch mehr geschehen, wo es möglich ist! Ja, Lieben ist Dienen! Das unterstrich Papst Franziskus, indem er über die Frauen sagte: «Der Mut der Frau. Die mutigen Frauen, die in der Kirche sind: Sie sind wie die Madonna. Diese Frauen, die die Familie weiterführen, diese Frauen, die die Erziehung ihrer Kinder durchführen, die so vielen Widrigkeiten und Schmerzen ausgesetzt sind, die die Kranken behandeln… Mutig: sie stehen auf und dienen, sie dienen. Der Dienst ist ein christliches Zeichen… Dienst in Freude, das ist die Haltung, die ich heute betonen möchte. Es gibt Freude und auch Dienst!». Der Hl. Andreas hat gedient und bis zum Tod am Kreuz geliebt!

Und da sind wir beim zweiten Element angekommen: das Zeugnis. Heute sind unsere Mitchristen im Heiligen Land, besonders auf den Spuren des Hl. Andreas, herausgefordert, weil sie eine sehr kleine Minorität sind, von Jesus Christus, der am Holz des Kreuzes gestorben und am dritten Tag von den Toten auferstanden ist, ein mutiges Zeugnis zu geben. Meiner Erfahrung nach kann ich sagen, dass viele unserer Mitchristen im Heiligen Land ein sehr mutiges und dem griechischen Adjektiv «andreios» entsprechend, ein in ihrem schweren Alltag mannhaftes Zeugnis geben. Wir alle sind heute ihre Mitchristen! Wir haben alle als Kinder Gottes und als Glieder der Kirche ohne falsche Weltanpassung alle von unserer Taufe Zeugnis zu geben. Was Paul VI. in seinem 1975 veröffentlichten Apostolischen Schreiben «Evangelii nuntiandi» sagt, ist immer noch von grosser Aktualität: «Der heutige Mensch hört lieber auf Zeugen als auf Lehrer, und wenn er auf Lehrer hört, dann deshalb, weil sie Zeugen sind».

Meine lieben Mitschwestern und Mitbrüder vom Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem, ich bin wie Sie mit der Situation im Heiligen Land recht gut vertraut und dankbar für jede Initiative, die Not lindert und das christliche Erbe im Heiligen Land hochhält. Es ist mir ein grosses Anliegen, dass die verschiedenen Religionen und Kulturen dort immer mutiger aufeinander zugehen und lernen, nach Lösungen zu suchen, die das Miteinander in der Liebe und im christlichen Zeugnis fördern. Für die vielfältigen Tätigkeiten des Ordens spreche ich Ihnen und allen ein ganz herzliches Vergelt’s Gott aus. Möge das Engagement aller stets neu gesegnet bleiben und dem Frieden unter den Menschen im Heiligen Land dienen! Meine Lieben, der Hl. Andreas helfe uns allen, besonders in dieser kommenden Adventszeit, zu lieben und Zeugnis zu geben, hier und im Heiligen Land, das uns allen sehr am Herzen liegt! Amen