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Bistum Chur

Predigt von Bischof Peter Bürcher in der Eucharistiefeier anlässlich der Bistumswallfahrt in Einsiedeln am 26. Oktober 2019

«Getauft und gesandt»

Der schönste Tag meines Lebens war derjenige meiner Taufe! Zwei Tage nach meiner Geburt und drei Tage vor Weihnachten wurde ich «im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes» getauft. Es war am 22. Dezember 1945, in der Pfarrkirche St. Johannes des Täufers, in Fiesch! An diesem Tag öffneten sich für mich, wie es für alle Neugetauften der Fall ist, die Tore des Himmels!

Bei der Tauffeier fragt heute noch der Priester oder der Diakon die Eltern: «Liebe Eltern, Sie möchten, dass Ihr Kind getauft wird. Das bedeutet für Sie: Sie sollen Ihr Kind im Glauben erziehen und es lehren, Gott und den Nächsten zu lieben, wie Jesus es vorgelebt hat. Sie sollen mit Ihrem Kind beten und ihm helfen, seinen Platz in der Gemeinschaft der Kirche zu finden. Sind Sie dazu bereit?»

Seit diesem Gnadentag war für meine Familie und für mich die dreidimensionale Richtung des Lebens angegeben: der Glaube, das ewige Leben und die Liebe im Alltag. Denn ich war nun getauft und zu dieser Mission gesandt!

Anfang und Ziel des christlichen Lebens werden im Sakrament der Taufe gefeiert: Ich wurde mit Wasser übergossen, dadurch gereinigt und aus der Sündenverstrickung der Menschheit befreit; damit begann mein Weg mit der kirchlichen Gemeinschaft in der Nachfolge Jesu, in Richtung des ewigen Lebens!

Meine Lieben, gibt es eigentlich etwas Schöneres als einen Tag, der uns das Tor des Himmels öffnet und dies für immer, nicht nur für dieses irdische Leben, sondern für das ewige Leben? Welche Gnade Gottes! Schon im 4. Jahrhundert sagte der Heilige Gregor von Nazianz: «Die Taufe ist die schönste und herrlichste der Gaben Gottes» (or. 40,3-4). Dieser Gnade der Taufe muss ich aber jeden Tag meines Lebens treu bleiben! Würde, aber auch Bürde! Würde des Gotteskindes, aber auch Bürde des Sünders, der immer auf die unendliche Barmherzigkeit seines Himmlischen Vaters zählen darf!

«Getauft und gesandt» bin ich!
«Getauft und gesandt» bist Du!

Ja, wie ich bist auch Du getauft und gesandt! «Glaube an Jesus, den Herrn, und du wirst gerettet werden, du und dein Haus» sagt der hl. Paulus zu seinem Gefängniswärter in Philippi. Und dieser «ließ sich sogleich mit allen seinen Angehörigen taufen» (Apg 16,31.33).

Wenn Du jemanden besser kennen lernen willst, fragst Du ihn vielleicht: «Wann bist Du geboren?» Selten oder fast nie fragst Du ihn: «Wann bist Du getauft worden?» Und noch mehr: Wenn Du mit jemanden Schwierigkeiten hast, denkst Du daran, dass er gleich wie Du getauft worden ist und wie Du ein von Gott innig geliebtes Kind ist? Es geht hier um die Wertschätzung nicht nur der Person, sondern auch und vielleicht zuerst um die Wertschätzung eines Getauften wie Du! Als Kind Gottes bist Du mit ihm auf dem Weg zum Himmel! Das ist unser Glaube! Dank sei Gott dafür!

Bei der Taufe Jesu durch Johannes im Jordan konnte man eine Stimme aus dem Himmel hören, die sprach: «Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden» (Mk 1,9-11).

Diese Stimme Deines himmlischen Vaters gilt auch für Dich, wer Du auch bist, seit Deiner Taufe. Höre heute diese Stimme nicht nur mit Deinen Ohren, sondern höre sie sehr tief in Deinem Herzen: «Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden»!

«Getauft und gesandt» bist Du!
«Getauft und gesandt» sind wir!

Meine Lieben, wir ersehnen alle einen Platz im Himmel! Um ihn im Himmelreich bekommen zu können, müssen wir vor Gott sehr klein sein und die Initiative dem «Meister des Festes» überlassen. Es geht darum, ein kleines Kinderherz zu haben, das alles mit leeren Händen empfängt, im lebendigen Glauben und in der konkreten Liebe des Alltages.

Die Taufe ist die Quelle des neuen Lebens in Christus, aus der das ganze christliche Leben entspringt. Darum feiert die Kirche jedes Jahr in der Osternacht die Erneuerung des Taufgelübdes. Am Anfang unserer heutigen Messfeier haben auch wir als Volk Gottes unser Taufgedächtnis erneuern dürfen.

Ja, meine Lieben, was heisst das? Wenn die Müdigkeit spürbar ist, wird es notwendig, die von Gott empfangene Gabe wieder zu erwecken! Jetzt ist es vielleicht für manche von uns dringend notwendig, die in Schlaf gefallene Gabe der Taufe wieder zu erwecken, die Angst zu überwinden, auf die Kraft Gottes zu zählen und entschlossen unseren Anteil am Leiden anzunehmen, um das Evangelium mit Freude zu verkünden. Das ist auch das Ziel des Ausserordentlichen Monats der Weltmission sowie der Marianischen Wallfahrt unseres Bistums Chur nach Einsiedeln. Es ist unser Ziel als Volk Gottes, dessen Mitglieder alle getauft und in die heutige Welt gesandt sind. «Mein Sohn», sagt Paulus dem Timotheus, «ich rufe dir ins Gedächtnis: Entfache die Gnade Gottes wieder!»

«Stärke unseren Glauben!», baten die Apostel den Herrn; es geht nicht einfach darum zu glauben, dass Gott existiert, sondern es geht um unser tägliches Vertrauen. Es geht eigentlich um die Dynamik im wahren Sinne des Wortes, die Dynamis, d.h. die Kraft des Heiligen Geistes, der in uns wohnt, seit unserer Taufe. «Getauft und gesandt» sind wir alle! Ein Katholik ist kein Satellit: Er ist ein Glied des Leibes Christi, also der ganzen katholischen Kirche.

Es wird über die am vorletzten Sonntag durch Papst Franziskus heiliggesprochene Schweizerin Marguerite Bays erzählt, dass die Madonnenstatue mit dem Jesuskind, in Notre Dame du Bois bei Siviriez, Marguerite einmal wie beseelt angesehen habe. Als sie dies bemerkt hatte, soll Marguerite zu einem Mitpilger gesagt haben: «Herr Richter, schauen Sie nur, wie gut es unsere Mutter mit uns meint. Sie wendet uns ihre Augen zu!» Wie wir heute aus dem Bistum Chur zur Gottesmutter im Finsteren Wald gekommen sind, so pilgerte auch die Fribourgerin mehrmals zu Fuss nach Einsiedeln. In ihrem sehr einfachen Leben war Marguerite jeden Tag der Gnade ihrer Taufe treu. Mit ihr wollen wir uns heute erneut von Gott gesandt wissen und als Getaufte unserer Mission treu bleiben!

Meine lieben, ich möchte am Schluss noch darauf hinweisen: Nach unserer heutigen Messfeier wird jede und jeder von uns ein Fläschchen Weihwasser und einen Rosenkranz erhalten. Das Weihwasser, das gesegnet ist, kommt vom Dominikanerinnenkloster St. Peter am Bach in Schwyz und vom ältesten erhaltenen christlichen Bauwerk der Schweiz, in Riva San Vitale, wo der Ausserordentliche Missionsmonat am Anfang dieses Monats am dortigen Taufstein begonnen hat, sowie aus dem Jordan, im Heiligen Land, wo Jesus getauft worden ist. Benützt dieses Weihwasser als gnadenvolle Erinnerung an Eure Taufe!

Der Rosenkranz stammt auch aus dem Heiligen Land, wo er von bedürftigen Familien in Bethlehem hergestellt worden ist. Betet auch für diese unsere Schwestern und Brüder, die wie wir getauft worden sind und die dem Auferstandenen das Zeugnis ihres alltäglichen Glaubens in der Liebe, trotz aller Schwierigkeiten, geben wollen. Die Liebe und ganz besonders die Liebe Gottes hat keine Grenzen! Die Mutter Gottes wendet auch uns heute ihre Augen zu.

Ja, meine Lieben, Du, ich und wir alle sind getauft und gesandt im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen