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Bistum Chur

Die Experten in Sachen Ritter und Saal – die Archäologen

Die Restaurierungsarbeiten des Bischöflichen Schlosses sind für die Archäologen des Kantons Graubündens wohl der Himmel auf Erden. Unter jedem Stein könnte sich ein antiker Knochen, die Erbse einer Prinzessin – wohl eher nicht – oder der Heilige Gral befinden. Der Traum schlechthin.

 

 

 

 

 

 

Gefunden hat man einiges. Was aber niemand dachte: Die Hühner sassen auf den Römern! Und keiner hat’s gemerkt. „Am Fusse des Nordtraktes wurde auf der Stadtseite, nach Abbruch des Hühnerstalls (ursprünglich Orangerie, erbaut 1823), die römische Ringmauer nachgewiesen“, heisst es in der aktuell erschienenen Publikation „Archäologie Graubünden“.

 

 

 

 

 

 

 

Verständlicherweise reist das nicht jeder vom Hocker. Aber die Römer waren da, definitiv. So viel muss festgehalten werden. Die Besiedlung des Hofes riss in der Folge nicht ab. Der Fund einer Becherkachel, datiert aus der Zeit um 1200, weisst auf das Mittelalter hin.

 

 

 

 

 

 

Dann wird es spannend. Die Veränderungen am Verwalterhaus im 17. Jahrhundert, als der Wandel der Bischofsburg zum Bischofsschloss seinen Anfang nahm, konnten räumlich durch die Bauarchäologie und zeitlich durch die Dendrochronologie – einfach erklärt durch die Jahrring-Analyse an den Baumstämmen – nachvollzogen werden. Fakt: Die bisherigen Annahmen wurden bestätigt. „Unter Johann V. Flugi wurde in den 1640er Jahren das mittelalterliche Bautengebilde zwischen dem Marsölturm und der Dompropstei durch einen einheitlichen Baukörper ersetzt, der neben älteren Gebäudeteilen ein neues Raumgefüge im Westteil integrierte“, sagt Brida Pally vom archäologischen Dienst.

 

 

 

 

 

 

Überdeckt wurde der 50 Meter lange Nordtrakt mit einer einzigen Dachkonstruktion, welche die hochstehende Zimmermannskunst der damaligen Zeit bezeugt und bis heute hervorragend erhalten geblieben ist. Der Neubau beinhaltet vermutlich bereits schon den Rittersaal als Repräsentations- und Versammlungsraum.

 

 

 

 

 

 

Seine damalige Ausstattung ist nicht erschlossen, denn nach dem überraschenden Tod Flugis von Aspermont im Jahr 1661, liess sein Nachfolger, Ulrich VI. de Mont, den Rittersaal nach seinen Vorstellungen ausbauen und mit der eindrücklichen Barockdecke ausstatten.

 

 

 

 

 

 

Dass die Päpste in Chur gerne ein Wörtchen mitreden, ist nichts Neues. Bischof Johann VI. Flugi von Aspermont (1636-1661) erhielt direkt von Papst Urban VIII. den Auftrag, das Schloss wieder her zu stellen. Historisch überliefert ist: „im halb zerfallenen Turm (Marsölturm) die Vögel und im Garten die Schlangen nisteten und der geringste Bürger von Chur eine bessere Wohnung hatte als der Bischof“.

 

 

 

 

 

 

Soweit sind wir noch nicht, Papst Franziskus weiss insbesondere um die Bescheidenheit seines Churer Bischofs. Obwohl – als Südamerikaner würde er ihm sagen: “ Mein Lieber, du darfst deine Heizung etwas aufdrehen.“ Bischof Joseph Maria würde ihm erwidern: „Weisst du, was das kostet, ein Schloss zu heizen?“ Für alle Journalisten, die nun mitlesen: Es ist das Geheimnis, warum er so frisch geblieben ist. Zurück zur Materie.

 

 

 

 

 

 

Moment, was sagte Bischof Joseph Maria im letzten Interview mit CH Media? „Priester sind keine besseren Christen.“ An was dachte er dabei? Wahrscheinlich an die zahlreichen Graffitis im bischöflichen Schloss. Ja! Nicht verhört. Vom Kerker bis zum Kreuzgewölbe finden sich überall kleine Inschriften oder ganze Zeichnungen, die bis heute überdauerten. Eigentlich noch ganz sympathisch, oder?

 

 

 

 

 

 

 

Zu den Personen
Dr. Mathias Seifert ist stellvertretender Kantonsarchäologe im Archäologischen Dienst des Kantons Graubünden. Er ist für Projekte und Wissenschaft zuständig.
Brida Pally ist archäologische Grabungstechnikerin und war bei den Arbeiten im Rittersaal Grabungsleiterin. Seit 2012 ist sie, zusammen mit Mathias Seifert, bei sämtlichen Restaurierungsetappen des Bischöflichen Schlosses mit dabei.

 

Literatur
Publikation Archäologie Graubünden

 

 

 

 

 

 

 

 

Seiten aus adg-002_2023_5__262_d-2 (003)

 

Chur, 21. Dezember 2023
Nicole Büchel,
Kommunikationsverantwortliche Bistum Chur
Dirk Frischknecht,
Fotograf Bistum Chur